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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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geben.
    „ Sehen Sie, Miss Ashton. Der Grog hat Ihnen wieder etwas Farbe ins Gesicht gezaubert.“ Eine der Freundinnen von Berta – Sieglinde mit Namen – lächelt mir zu. „Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn das nicht der Fall gewesen wäre.“
    Ich nicke nur zustimmend.
    Berta setzt sich zu mir und straft Christopher mit einem ernsten Blick. „So, und jetzt erzählen Sie mir endlich ganz genau, was passiert ist.“
    Christopher macht ein schuldbewusstes Gesicht und ich fasse kurz zusammen, was auf dem Deck passiert ist.
    Berta sieht ihn missbilligend an und ich muss gestehen, dass ich mir innerlich ein wenig die Hände reibe.
    „ Was soll das, Christopher?“
    Er sieht weg. „Ich dachte ja nur …“
    „ Du hast gar nicht gedacht, mein Lieber.“ Ihre Stimme ist für ihr Alter plötzlich sehr schneidend. „Du hast dich von meiner lieben Enkeltochter aufstacheln lassen.“ Er murmelt etwas Unverständliches.
    „ Erzähl doch keinen Unsinn!“ Berta sieht von ihm zu mir und wieder zurück. „Christa kann gar nicht deine verschwundene Schwester sein. Sie sieht dem Foto nicht einmal ähnlich!“
    Da widerspreche ich jetzt lieber nicht, sondern mache weiter einen kläglichen Gesichtsausdruck. Das fällt mir auch gar nicht schwer, denn mir geht es tatsächlich immer schlechter. Die verschiedenen Ereignisse des Tages verlangen ihren Tribut und ich merke, wie meine Schilde immer durchlässiger werden. Lange halte ich das hier nicht mehr aus.
    „ Jetzt entschuldige dich endlich bei ihr.“ Berta ist wirklich unheimlich in ihrem heiligen Zorn. Christopher wird noch ein Stück kleiner, was ein merkwürdiger Anblick bei seiner Körpergröße ist.
    „ Es tut mir leid“, nuschelt er und ich spüre beinahe körperlich den Widerwillen dahinter. Es tut ihm nicht leid, auch wenn es ihm peinlich sein mag. Wann legt das verdammte Schiff endlich an?
    Notfalls gehe ich doch in England von Bord. Alles andere regelt sich dann sicher von alleine.
    Berta lächelt mich an. „Sehen Sie, im Grunde seines Herzens ist er ein guter Junge.“ Genau, im Grund der Schlangengrube seiner Frau. „Können Sie ihm verzeihen?“ Sie sieht mich so liebevoll an, dass es beinahe wehtut.
    Ich nicke langsam. „Ihnen zuliebe, Berta.“
    Sie strahlt über das ganze Gesicht und entlässt Christopher. Dieser kann gar nicht schnell genug davonkommen – und doch bin ich mir nicht sicher, ob die Sache damit gegessen ist.
     
    Als er das Café verlassen hat, schüttelt Berta noch einmal verständnislos den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht, was da in ihn gefahren ist.“
    Oh, ich kann mir das lebhaft vorstellen. Aber ich will mich jetzt nicht darum kümmern. Ich bin von Herzen müde und mein Körper sendet mir verschiedenste Signale.
    „ Wie geht es Ihnen?“ Berta sieht nun wieder mich direkt an.
    „ Ganz gut, danke.“
    „ Wunderbar – ich hoffe, es bleibt nichts zurück.“
    „ Das hoffe ich auch.“ Ganz ehrlich, das tue ich.
    Sie wendet sich nun den anderen Damen wieder zu, die sich taktvoll zurückgehalten haben, und erkundigt sich nach deren Gesprächsthema.
    Eine der anderen Damen entgegnet: „Wir sprachen gerade von den außergewöhnlichen Vorkommnissen hier an Bord. Haben Sie schon davon gehört?“
    „ Ich weiß nicht genau, worauf Sie anspielen“, gebe ich vorsichtig zurück.
    „ Na, von der spektakulären Rettung dieses jungen Mädchens. Haben Sie nicht davon gehört?“ Ach so.
    „ Doch, habe ich“, ist meine schwache Erwiderung.
    „ Wäre das meine Melody gewesen, ich wäre verrückt vor Angst gewesen.“ Berta greift sich affektiert an die Brust, was die anderen dazu bringt, ihr noch einmal aus einer grünen Flasche nachzuschenken. Was auch immer die Damen da trinken, es ist alkoholisch und stinkt unerträglich.
    „ Gut für die Gesundheit“, wispert Berta mir zu, als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkt. „Wollen Sie auch einen?“
    „ Nein, vielen Dank.“ Ich merke nämlich gerade, wie sich der Grog mit der Tomatensuppe vermischt und beide in meinem Magen zu rebellieren beginnen.
    „ Was haben Sie? Sie sind ganz grün um die Nase.“
    „ Das muss die Kälte sein. Ich bin gleich wieder da.“ Zum Glück sind die entsprechenden Schilder nicht weit von uns und so schäle ich mich aus den Decken und verschwinde Richtung Klo.
    Nachdem ich alles losgeworden bin, lehne ich mich erschöpft gegen die gekachelte Wand der Toilette. Was ist das nur für eine verrückte Nacht? Ob mich die Damen wohl entschuldigen?

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