Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
Ernstes über Vampire?“ Ich nicke nur. „Also schön. Aber wenn du mich fragst, dann sind das nichts als düster-romantisch verklärte Wunschträume von Teenagern oder höchstens noch jungen Erwachsenen.“ Ich kann ihm nur zuhören. „Rein aus der Sicht eines Geschäftsmannes würde ich vielleicht in Erwägung ziehen, mich damit auseinanderzusetzen, denn es ist bestimmt lukrativ.“
„ Das kann ich bestätigen.“
Er wirft mir einen Blick zu der wohl so viel sagen soll wie „Endlich verstehen wir uns“ und erleichtert spricht er weiter: „Aber echte Vampire? Das ist absurd.“
Ich schweige einen Moment. „Du denkst also, ich habe mir das alles ausgedacht?“ Prüfend sehe ich ihn an.
„ Nein.“ Wieder greift er zum Weinglas, trinkt daraus und lässt es in seiner Hand kreisen. „Ich denke, dass du etwas für dich brauchst, was dir alleine gehört.“
Irritiert sehe ich ihn an. „Wie meinst du das?“
Er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. „Ich meine, dass jeder von uns eine Nische braucht. In die er sich zurückziehen kann, wenn es ihm zu viel wird. Einen Platz, an dem er aus seinen gesellschaftlichen Zwängen und seinen Rollen schlüpfen kann und nur er oder sie selbst ist.“ Das ist so wahr, dass es beinahe wehtut.
„ Also, wenn du in deiner Welt ein Vampir sein möchtest, dann bitte. Solange du mich nicht beißt …“, er zwinkert mir zu.
Oh Alex, wenn du nur wüsstest. Wir schweigen einen Moment und er sieht mit sich selbst zufrieden aus.
„ Die Männer wollten mich töten, Alex“, beharre ich auf dem ursprünglichen Thema – und die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildet sich erneut.
„ Ach, ich bitte dich!“ Doch er ist nicht mehr ganz so überzeugt wie eben. „Sie haben eine Rolle gespielt!“
Jetzt ist es an mir, Ruhe zu bewahren. „Sie haben mich einen blutsaugenden Dämon genannt. Eine Bestie. Bist du schon einmal so betitelt worden?“
Die Falte verschwindet genauso schnell, wie sie gekommen ist. Sie wird ersetzt durch die feinen Linien, die das Lächeln in sein Gesicht gegraben hat. „Explizit in dieser Wortwahl in letzter Zeit nicht. Nein. Aber als seelenloser Krämer und ‚Advocatus Diaboli‘. Macht mich das automatisch zu einem Dämon?“ Seine Logik ist bestechend, das muss ich gestehen. Und wäre ich nicht die, die ich bin, sondern tatsächlich jemand anderes, würde ich mich davon sicher auch überzeugen lassen.
„ Nein“, gebe ich zu.
„ Siehst du.“ Jetzt ist er wieder mit sich selbst zufrieden. „Und dich macht es auch nicht zum Vampir.“
Tja, wenn das alles nur so einfach wäre. Irgendwie verunsichert sehe ich zu Boden. Vielleicht habe ich doch falsch angefangen.
Er ist aber noch bei seinem Gedanken. „Ich meine, gut, die Party hatte schon ein faszinierendes Flair – all diese verlorenen Seelen.“ Er schüttelt leicht den Kopf. „Ich kann schon verstehen, dass man sich darin verlieren kann.“
Okay, wir driften in eine Richtung, die nicht sachdienlich ist.
„ Und diese ‚Jäger‘“, er deutet mit seinen Händen imaginäre Anführungszeichen an. „Sie haben ihre Rolle wirklich gut gespielt, wenn auch zum Schluss ein wenig übertrieben.“ Nun sieht er mich versöhnlich an. „Es war wirklich nur ein Missverständnis.“
Erneut bleibt mir die Sprache weg. Nach einer Weile antworte ich daher: „So, findest du?“
Er überlegt kurz, dann nickt er bekräftigend. „Ja, und es ist an der Zeit, mit dem Unsinn aufhören.“
Von jetzt auf gleich platzt mir die Hutschnur und ich springe auf. „Unsinn?“
Jetzt ist er auf der Hut und ich spüre, wie sich der Widerwillen gegen meine „Verstocktheit“ in ihm ausbreitet.
„ Also schön“, seufzt er. „Was genau macht dich denn zu einem Vampir?“
Ich beginne auf und ab zu gehen, plötzlich nicht mehr ganz bei mir. Ja, was macht mich dazu? „Ich kann das schwer in Worte fassen.“
„ Ich denke, du wirst einen Weg finden.“ Ist da eine Spur Sarkasmus in seiner Stimme? Moment mal, das ist mein Schild.
Halbherzig versuche ich es mit einem „Ich raube … Lebensenergie.“ Das Wort „Blut“ will mir angesichts der dunkel gefüllten Weingläser nicht über die Lippen.
Ganz gegen meine Erwartung schmunzelt er plötzlich. „ Das machen andere auch. Es macht dich in meinen Augen noch lange nicht zu einem Vampir.“ Jetzt ist er erleichtert.
Kurz steht das Bild Bens vor seinem geistigen Auge, doch er wischt es fort. Also Ben ist so weit davon entfernt, ein Vampir zu sein,
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