Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
…“
„ Dass ich tot sein könnte?“
Sie nickt stumm. Ich mache einen Schritt vor und schiebe sie damit immer weiter in den Raum hinein. Meine Sinne haben längst ihre Witterung aufgenommen und seine. Sie riecht verlockend nach einem schnellen Frühstück und er riecht … nach Gefahr.
Er beobachtet mich und versucht mich einzuschätzen. Seine ruhige Gelassenheit ist also nur Fassade und ich werde mich sehr zusammenreißen müssen, damit ich jetzt keinen Fehler mache. Erneut flammt Müdigkeit auf, doch ich kämpfe sie zurück. Wenn ich jetzt zusammenklappe, ist alles vorbei. Zumindest verrät mir das seine Körpersprache. Also strenge ich mich an und weiß, dass ich spätestens morgen etwas zu mir nehmen muss, um diesen Kraftaufwand auszugleichen.
Benommen setze ich mich und nehme den Gesprächsfaden wieder auf. „Aber jetzt siehst du, dass ich nicht tot bin, stimmt’s?“ Sie riecht nach Seife und einem leichten Deodorant. Ein unaufdringlicher Geruch, der sicherlich zum einen Vorschrift ist, zum anderen irgendwie zu ihr passt.
Sie nickt und ihre Augen werden größer. „Bitte beschweren Sie sich nicht über mich, Miss.“ Ihr Blick huscht zu dem Mann in ihrer Begleitung, der glücklicherweise im Türrahmen der Kabine stehengeblieben ist.
Ein leichter Akzent hat sich in ihre Stimme gemischt, den sie bisher gekonnt unterdrückt hatte. Er ist schwach, aber vorhanden, und signalisiert mir die in ihr aufsteigende Angst, die sie noch unwiderstehlicher macht. Ich habe sie zum Bett gedrängt, umrunde sie und setze mich darauf. Gleichzeitig zu laufen und zu sprechen ist gerade leider nicht drin. „Du hast Angst um deine Anstellung, richtig?“
Sie nickt. Herrgott, war ich je so jung und gleichzeitig so unschuldig? Vermutlich nur eines von beiden, aber das tut jetzt nichts zur Sache.
Er beobachtet uns immer noch und geht mir wahnsinnig auf die Nerven.
„ Wie heißt du?“, frage ich sie.
„ Cassandra, Miss.“
Ein guter und alter Name, der auf eine Familie mit Traditionen hindeutet.
„ Keine Sorge, Cassandra. Ich werde mich nicht beschweren. Fehler können jedem mal passieren.“
Sie seufzt auf und sieht mich voller Dankbarkeit an.
Der Mann hinter ihr räuspert sich. „Sie wollen also keine Beschwerde einreichen, Miss?“
Habe ich das nicht gerade gesagt? Er regt mich wirklich auf, dieser Mann. Ich wende mich ihm zu. „Nein, das möchte ich nicht.“ Jetzt bloß nicht ausrasten!
„ Ich verstehe.“ Er holt eine Art Klemmbrett hervor und macht sich eine Notiz. Beider Geruch wird fast übergreifend, vor allem da sich in ihren jetzt Erleichterung mischt.
„ Dann hat sich dies also erledigt?“
„ Das hat es.“
Ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht. „Gut. Bitte entschuldigen Sie die Störung.“
„ Keine Ursache“, presse ich zwischen den Zähnen hervor. Er nickt noch einmal und weist Cassandra dann kurz an, die neuen Handtücher, welche sie hat fallen lassen, einzusammeln und mich dann in Ruhe zu lassen.
Sie nickt und endlich geht er. Die Tür klickt leise und wir sind zu zweit. Wer auch immer er war, interessiert mich nicht. Einzig die lecker vor mir ausgebreitete Mahlzeit zählt und sie verspricht sättigend zu sein.
Ich knipse den Teil meiner Ausstrahlung an, die mich unwiderstehlich macht, klopfe einladend auf die Matratze und mache eine auffordernde Geste. Sie ist sich unsicher, ob sie meiner Einladung folgen soll, und nimmt dann zögernd auf der Bettkante Platz. Sie ist mir nun so nahe, dass ich ihren Herzschlag fast hören kann, und wieder spüre ich ihrem Duft nach. Plötzlich blitzen ein Bild und ein Name in ihrem Kopf auf und ich lächele leise vor mich hin. „Du bist verliebt, stimmt’s?“
Irritiert sieht sie mich an und wird dann knallrot.
„ Keine Sorge, Liebes“, schnurre ich. „Das ist in Ordnung in deinem Alter. Wie heißt er denn?“
Verschämt nennt sie einen Namen; hin- und hergerissen zwischen Misstrauen und der Erleichterung, darüber sprechen zu können. Ich rutsche etwas näher und nehme ihre Hand in meine. Sie ist zart und ihre Haut weich. Vorfreude packt mich und nur mühsam kann ich mich beherrschen nicht einfach das Handgelenk aufzureißen und mich zu nähren.
„ Weißt du, warum ich tagsüber nicht gestört werden möchte?“, frage ich. Sie schüttelt den Kopf. „Ich habe eine schwere Sonnenallergie und kann deswegen nur nachts hinaus.“
„ Das ist ja schrecklich“, entfährt es ihr.
„ Man lernt damit zu leben. Aber es hat auch Vorteile,
Weitere Kostenlose Bücher