Nachte des Sturms
bisherige Freundschaft nicht gefährden willst. Das will ich auch nicht, denn diese Freundschaft ist mir wichtig. Sie ist mir wirklich wichtig. Ebenso wie du, Brenna.«
»Ist das der Grund, weshalb du mich gestern Abend behandelt hast, als wäre ich ein kleines Flittchen?«
Zu seinem Entsetzen brach tatsächlich ihre Stimme, und er bemühte sich eilig um eine Antwort. »Ich nehme an, dass das tatsächlich der Grund gewesen ist. Schließlich ist es ziemlich ungewöhnlich, dich in einer solchen Aufmachung zu sehen.«
Sie warf frustriert die Hände in die Luft. »In was für einer Aufmachung?«
»Wunderhübsch.« Er sah, dass sie entsetzt die Augen aufriss, nutzte den Moment der Überraschung und schob sich etwas näher an Brenna heran. »Elegant und überraschend weiblich.«
»Um Himmels willen, schließlich bin ich eine Frau.«
»Ich weiß, aber für gewöhnlich machst du dir nicht die Mühe, das zur Geltung zu bringen.«
»Weshalb sollte ich auch?«, wollte sie wissen. Dies war ein wunder Punkt, auf den sie ungern näher einging. »Darf ich etwa, nur weil ich weiß, wie man einen Nagel in die Wand haut oder einen verstopften Abfluss wieder frei kriegt, nicht zugleich eine Frau sein? Machen mich ein Kleid und etwas Lippenstift dann schon zu einem Flittchen?«
»Nein, sie enttarnen mich als Narren, weil ich zugelassen habe, dass du so etwas denkst. Mein Benehmen war unbeholfen, idiotisch und ganz einfach unverzeihlich. Es tut mir wirklich Leid.«
Als sie nichts sagte, schob er seine Hände in die Hosentaschen, zog sie jedoch sofort wieder heraus. Am besten brachte er die ganze Sache so schnell wie möglich über die Bühne. »Die Wahrheit ist ganz einfach, dass ich mir, als du hereinkamst und so fantastisch aussahst und mit einem anderen Mann ausgehen wolltest, die schlimmsten Dinge ausgemalt habe. Und zwar aus reiner Eifersucht. Das war mir in dem Moment natürlich nicht bewusst, das konnte ich mir erst später eingestehen, als ich wieder etwas klarer denken konnte. Nie zuvor in meinem Leben habe ich auch nur die geringste Eifersucht verspürt. Und ich muss sagen, es ist wirklich ein unschönes Gefühl.«
Sie hatte sich weit genug beruhigt, um nachdenken zu können. »Ich kann dir versichern, für mich war es ebenfalls nicht gerade nett.«
»Ich habe mir eingeredet, du wärst nur deshalb in diesem Kleid, mit den offenen Haaren und den angemalten Lippen in die Küche gekommen, um mich verrückt zu machen.«
Ja, dachte sie. Und nickte. »Wenn ich daran gedacht hätte, hätte ich das vielleicht tatsächlich getan. Nur bin ich ganz einfach nicht so schlau.«
»Nein, du bist immer vollkommen direkt. Ich weiß.« Er
hielt inne, neigte den Kopf und sah sie nachdenklich an. Bei jedem Schritt, den er in ihre Richtung machte, ging sie einen Schritt zurück. »Warum weichst du, wenn ich auf dich zukomme, immer aus? Warst nicht du diejenige, die alles angefangen hat?«
»Das stimmt, aber inzwischen habe ich es mir anders überlegt. Also halt bitte etwas Abstand, während ich die Sache überdenke«, bat sie, als sie das dunkle Blitzen in seinen Augen sah. Sein Blick war nicht gerade beruhigend. »Wir waren Zeit unseres Lebens miteinander befreundet, und diese Freundschaft will ich nicht verlieren. Wenn wir sofort gehandelt hätten, als ich von Sex gesprochen habe, wenn du einfach gegrinst und gesagt hättest: ›Nun, Brenna, das ist wirklich eine sehr gute Idee, lass uns ins Bett gehen‹, dann wäre alles wunderbar gewesen. Dann hätten wir unseren Spaß gehabt, hätten die Sache nicht unnötig kompliziert und hätten uns als Freunde voneinander getrennt. Aber jetzt ist es keine spontane Sache mehr, jetzt ist alles furchtbar schwierig.«
Er brachte sie dadurch zum Stehen, dass er, ehe sie sich bewegen konnte, seine Hände zu beiden Seiten ihres Kopfes gegen die Wand stemmte. »Du hast die Angewohnheit, immer impulsiv zu handeln, während ich für meinen Teil alles erst einmal gründlich überdenke. Du bist schnell, und ich bin langsam.«
Ihr Blut begann zu summen, doch nicht nur seine Arme, sondern auch ihr Stolz hielt sie an ihrem Platz. »Himmel, Shawn, sogar ein Eisberg ist beweglicher als du.«
»Trotzdem komme ich immer dort an, wo ich will, oder etwa nicht? Ich denke, Brenna, dass wir uns irgendwo in der Mitte zwischen Impuls und Überlegung, zwischen Tempo und Vorsicht, treffen können sollten.«
»Inzwischen ist das alles viel zu … schwierig.«
»Ich kann beinahe hören, wie dein Herz schlägt«,
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