Nachte des Sturms
Wort.«
»Und ich dir das meine.« Er nahm ihre Hand und hob sie, um ihre Reaktion zu testen, sanft an seinen Mund.
Vor Überraschung klappte ihr die Kinnlade herunter, und er lachte dröhnend auf.
»Mary Brenna, ich glaube, du machst dich besser auf ein paar Überraschungen gefasst.«
»Vielleicht.« Sie entzog ihm ihre prickelnde Hand und schob sie hinter ihren Rücken. »Aber ich selbst habe auch noch ein paar Tricks auf Lager.«
»Darauf verlasse ich mich.« Er zog den Schlüssel aus der
Tasche und ging in Richtung Tür. »Warum kommst du nicht heute Abend in den Pub? Dann mache ich dir ein vernünftiges Abendessen und zeige dir, welche … Überraschungen dir die Speisekammer zu bieten hat.«
»Die Speisekammer?« Ehe sie lachen konnte, schoss ihr ein erschreckender Gedanke durch den Kopf. »Dürfte ich vielleicht fragen, wie viele Frauen du schon vor mir in der Speisekammer überrascht hast?«
»Schätzchen.« Auf der Schwelle drehte er sich noch mal um und zwinkerte ihr zu. »Ich bin kein Mann, der diese Dinge zählt.«
9
D ieser Finkle ist da.« Darcy kam eilig in die Küche.
Shawn blickte von den drei Sandwiches auf, die er gerade belegte. »Ach, ja?«
»Er sitzt drüben im Pub.« Aus reiner Gewohnheit blickte sie kurz in den kleinen, neben der Tür hängenden Spiegel. »Aidan zapft ihm gerade ein Bier und unterhält sich mit ihm an der Theke. Der Kerl sieht schon aus wie ein typischer Geschäftsmann.«
Da er die Talente seiner Schwester kannte, winkte Shawn mit seinem Messer. »Beschreib ihn mir in höchstens hundert Worten.«
Darcy kniff die Augen zusammen und legte ihren Zeigefinger an die Lippen. »Mitte fünfzig, schüttere Haare. Was ihn ziemlich stört, denn er kämmt sie so, dass es möglichst wenig auffällt. Ein ansehnlicher Bauch, der mir sagt, dass er durchaus gerne isst. Verheiratet, aber trotzdem nicht blind für schöne Frauen. Ein Büromensch. Ein typischer leitender Angestellter, der es gewohnt ist, Befehle entgegenzunehmen und nach unten weiterzugeben. Geizig, denn Mary Kate hat mir erzählt, dass er leidenschaftlich über den Zimmerpreis verhandelt hat, obwohl er die Unterkunft über sein Spesenkonto abrechnet. Durch und durch ein Stadtmensch und ziemlich geschniegelt. Seine Schuhe sind derart auf Hochglanz poliert, dass ich mir davor die Augenbrauen zupfen könnte.«
»Gut.« Shawns Augen blitzten vor Aufregung. »Dann
wirst du also keine Schwierigkeiten haben, den Typen zu becircen, oder?«
Darcy blickte auf ihre lackierten Nägel und setzte ein selbstzufriedenes Lächeln auf. »Ebenso problemlos, wie man einen Fisch in einer Wassertonne fängt.«
»Ich spreche nicht davon, dass du ihn tatsächlich in Versuchung führen sollst, Darcy. Es genügt völlig, wenn du dich gut mit ihm verstehst.«
»Also bitte. Ich sagte doch, er ist verheiratet. Und ich bin ganz sicher niemand, der freiwillig eine Ehe in Gefahr bringt.«
»Tut mir Leid. Es war nur wegen deines Blickes. Er kann einen Mann in Angst und Schrecken versetzen.«
Sie zog einen Lippenstift aus der Tasche ihrer Schürze, zeichnete die Konturen ihrer vollen Lippen damit nach und sah im Spiegel in Richtung ihres Bruders. »Aber trotzdem scheinen die Männer ihn zu lieben.«
»Da kann ich dir nicht widersprechen. Schließlich habe ich schon allzu viele Typen freiwillig vor dir in die Knie gehen sehen. Ich helfe dir, die Sandwichs an die Tische zu bringen, damit dieser Finkle auch gleich den trotteligeren der beiden Brüder zu Gesicht bekommt.«
Darcy half Shawn beim Beladen des Tabletts. »Ich habe den Eindruck, dass er es gar nicht erwarten kann, sich das Grundstück anzusehen und zum geschäftlichen Teil seines Besuchs überzugehen.«
»Das hier ist Irland«, erwiderte Shawn gelassen. »Und wir Gallaghers haben noch niemals etwas überstürzt.«
Er fügte die Bestellungen zusammen und füllte Chips in ein paar kleine Schüsseln, um sie auf der Theke abzustellen. »Ich habe nicht geträumt«, sagte er, als sie in den Pub hinübergingen, vernehmlich zu Darcys Rücken. »Ich habe nachgedacht.«
Darcy seufzte. »Wie willst du je das Essen rechtzeitig fertig bekommen, wenn du ständig in Gedanken ganz woanders bist? Reiß dich doch bitte wenigstens ab und zu etwas zusammen.«
Mit beleidigter Miene begann Shawn die Schüsseln auf dem Tresen zu verteilen.
»Shawn, ich möchte dich mit Mr. Finkle aus New York bekannt machen.« Mit freundlicherer Miene ging Shawn in Richtung seines Bruders, lehnte sich gegen die
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