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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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eingetütet, die sie mitnehmen wollten. »Was hast du?«
    Gage sah mit verzerrtem Gesicht auf, während er die steifen Beine lockerte. »Ich bin zu alt, um in Badezimmern auf dem Boden herumzukriechen«, sagte er. »Hallo, Roy. Hab dich gar nicht gesehen. Na ja, sie ist schon ein paar Stunden tot, aber ich muss sie mir auf dem Tisch ansehen, bevor ich etwas Genaueres sagen kann. Todesursache? Ich weiß noch nicht. Druckspuren am Hals. Sie hat Kopfverletzungen, die vielleicht tödlich waren, aber sie ist abscheulich zusammengeschlagen worden. Wer immer das war, ist ein widerlicher Zeitgenosse.«
    Farnham widersprach ihm nicht. Aber Gage hatte die Frage nicht beantwortet, auf die er eine Antwort brauchte. »Ist das noch eine?«, fragte er.
    Gage warf ihm einen schnellen Blick zu. »Ich spekuliere nicht, bevor die Obduktion gemacht ist, Roy. Bei den anderen hat es keine Druckstellen gegeben.« Er sah auf die Leiche hinunter. Einer der Spezialisten lehnte sich über die Badewanne und schnitt behutsam den Strick durch, mit dem die Handgelenke der Frau an die schwere Mischbatterie gebunden waren. »Ich nehme die Fingerabdrücke und liefere alles im Labor ab, so schnell ich kann. Vom Gesicht her ist keine Identifizierung möglich.«
    Farnham sah hin und gleich wieder weg. »Kannst du es nicht ein bisschen herrichten?«
    Gage zuckte die Schultern. »Nur notdürftig. Ihr seid besser beraten, sie nach den Fingerabdrücken zu identifizieren. Oder vielleicht hilft euch ihre Uhr weiter, darauf ist etwas eingraviert.«
    Farnham sah sich in dem engen Zimmer um und klopfte mit der Hand gegen die Wand hinter dem Bett. Sie war dünn, nur eine Zwischenwand. »Die anderen Zimmer hier unten waren gestern Nacht belegt. Jemand muss etwas gehört haben.«
    Gage war skeptisch. »Vielleicht ist sie gar nicht hier unten getötet worden. Zu wenig Blut. Möglicherweise hat das Wasser es weggespült, aber … ihr werdet im Abfluss nachsehen müssen.«
    Die Vorstellung, einen anderen Tatort suchen zu müssen, deprimierte Roy Farnham. Einer der Männer von der Spurensicherung kam zu ihm herüber. »Sir?«
    Farnham betrachtete das, was der Mann ihm zeigte. In einer durchsichtigen Plastiktüte für Beweisstücke lag eine Visitenkarte, die wohl auf den Boden gefallen war. In einer Ecke war die Silhouette einer knienden Frau, die die Hände hinter dem Kopf verschränkt hatte. In dünner Kursivschrift war Angel Escorts mit einer Telefonnummer aufgedruckt. Am unteren Rand der Karte stand Internationale Begleitagentur. Wir freuen uns, wenn Sie sich wohl fühlen. »Okay«, sagte er und notierte sich, dass er das Sittendezernat anrufen musste, ob man dort etwas über dieses Unternehmen Angel Escorts wusste.
    Der Fotograf war fertig. Farnham nickte Gage zu. »Schön«, sagte der Pathologe zu seinen wartenden Assistenten. »Tragt sie raus.«
    Farnham sah zu, wie sie die Leiche der Frau vorsichtig aus der Wanne hoben und Plastikbahnen unter sie legten, damit das mit Blut vermischte Wasser nicht auf den Boden tropfte. Nachdem sie sie herausgehoben hatten, sah er in die Badewanne. Gage hatte Recht. Es war nur sehr wenig Blut zu sehen, nur ein wässrig strudelndes Rinnsal, das hier und da über den dunklen Rand an der Seitenwand hochschwappte. Vielleicht hatte der Mörder alles sauber gemacht und Blut und sonstige, durch den Mord entstandene Spuren beseitigt. Im Bad war alles nass. Farnham musste die Gäste, die in dieser Donnerstagnacht in den anderen Zimmern waren, befragen, ob sie Geräusche von einem Streit, noch spät laufendes Wasser oder sonst irgendetwas gehört hatten, das helfen würde, aufzuklären, was geschehen war.
    Als man die Leiche weggebracht hatte, fiel ihm die Arbeit leichter. Es war jetzt ein Auftrag, ein Problem, das es zu lösen galt. Als die Frau noch dalag, war es etwas Persönlicheres, das Zorn und Ekel in ihm auslöste über die Dinge, zu denen Menschen fähig waren. Er fragte sich, warum Frauen das taten – sich an Fremde verkaufen. Für die Frauen, die sich auf die Straße stellten oder mit den Männern in Hotelzimmer gingen, die sie sich wie eine Pizza kommen ließen, musste es mehr sein als nur das Geld. So viele von ihnen kamen dabei um – durch Drogen, Gewalt oder durch Verletzungen, die sie sich selbst zufügten. Dies war die Dritte innerhalb der letzten zwei Monate, und es gab beunruhigende Parallelen zwischen den Morden. Seine Vorgesetzten waren nicht überzeugt, dass es einen Zusammenhang gab, aber Farnham hatte ein

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