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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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das Fenster ›Dokument öffnen‹ und forderte Roz mit einer Kopfbewegung auf, herüberzukommen. Sie sah auf den Bildschirm. Das Fenster hatte sich geöffnet, aber nichts war zu sehen, keine Dateien oder Verzeichnisse, nur der leere Monitor.
    Roz sah hin und schaute dann Luke an. Er zuckte die Schultern. »Als ich die Festplatte letztes Mal sah, am Dienstagabend muss das gewesen sein, hatte sie jede Menge Sachen da drauf«, sagte er.
    »Vielleicht hat sie sie gelöscht, um Platz zu haben«, sagte Roz. »Vielleicht ist alles auf Disketten gespeichert.«
    Luke öffnete die Schreibtischschublade. »Sie bewahrt ihre Sicherheitskopien hier auf«, sagte er. Die Schublade war leer. »Gem lässt sowieso alles auf der Festplatte. Sie sagt, man findet sich dann leichter durch. Und sie hat außerdem von allem Sicherheitskopien.« Er verschränkte die Arme, stand an den Schreibtisch gelehnt und sah sie abwartend an.
    Roz fragte sich, was er von ihr erwartete, und überlegte, was sie tun sollte. Gemma war an einem Donnerstag nach Manchester gefahren, um an einem Meeting teilzunehmen. Sie war auf jeden Fall dort gewesen, Joanna hatte am Freitag nachgefragt. Am Donnerstagabend sollte sie zurück sein. Luke hatte gesagt, er hatte erwartet, dass sie ihn anrufen würde, oder jedenfalls dachte er, sie würde es tun. In der Abteilung wurde sie Freitag früh erwartet, das Meeting war den ganzen letzten Monat Joannas Hauptanliegen gewesen. Doch Gemma hatte nur eine E-Mail mit einer fadenscheinigen Ausrede geschickt. Sie war nicht zurückgekommen und hatte anscheinend alle ihre Dokumente von ihrer Festplatte gelöscht, bevor sie ging. Luke beobachtete sie immer noch vom Schreibtisch her, um zu sehen, zu welchem Schluss sie käme. »Polizei?«, sagte sie.
    »Hab ich auch schon gemacht«, sagte er. »Gestern.«
    »Und?« Man musste ihm alles aus der Nase ziehen.
    »Sie zeigten kaum Interesse. Sie schrieben alles auf, fanden aber, es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. Gemma fährt tatsächlich manchmal am Wochenende weg. Sie sagten, ich solle bis Montag warten. Sie meinten, meine Reaktion sei übertrieben und wir hätten wohl einen Streit gehabt. Die Kabbelei eines verliebten Pärchens.« Er sagte das ziemlich unbekümmert, und sie fragte sich, warum er sich solche Sorgen machte, wenn Gemma öfter ungeplante Fahrten unternahm. Aber es würde nicht viel bringen, ihn zu fragen. Er erzählte ihr in letzter Zeit ja nichts mehr. »Ich hab nur gedacht, da stimmt etwas nicht. Aber da war ich noch gar nicht hier gewesen.«
    »Was meinst du damit?«
    Er machte eine ungeduldige Kopfbewegung. »Sieh dich doch mal um, Roz.«
    Sie schaute sich um und verstand die Bedeutung der leeren Kleiderstange. Dann ging sie zu der Kommode hinüber und öffnete die Schubladen. Sie waren leer. »Alle ihre Sachen sind weg«, sagte sie. Das hieß, dass Gemma die Abreise geplant hatte, wohin sie auch gefahren war. Aber das unbehagliche Gefühl blieb bestehen.
    »Erster Preis für gute Beobachtungsgabe, Bishop.« Luke hatte sich wieder zum Computer umgedreht und ließ den Cursor über die Bildfläche wandern.
    »Hör mal, habt ihr zwei denn irgendetwas miteinander … du weißt schon?«
    »Was sollen wir miteinander gehabt haben, Roz?«
    »Irgendeinen Streit oder eine Auseinandersetzung oder so etwas, das sie aufgeregt hätte. Du weißt schon, was ich meine, Luke.«
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »Wenn ich den Grund wüsste, warum sie weg ist, dann würde ich sie ja nicht suchen.«
    Das heißt also: nein. »Wenn Gemma diese Dateien gelöscht hat, solltest du vielleicht versuchen, sie wiederherzustellen?«, sagte sie. Sie begriff langsam, dass Gemma persönliche Gründe für ihr Verschwinden haben musste und dass Luke mehr wusste, als er ihr sagte. Sie war nicht bereit, den Einfaltspinsel zu geben, welches knifflige Spiel er und Gemma auch spielen mochten. Er lächelte ihr zu und wartete. Du hast es noch nicht durchdacht, Bishop. »Du hast bestimmt schon nachgesehen«, sagte sie.
    »Es ist kein Problem, gelöschte Dateien wiederherzustellen«, sagte er. »Aber … jemand hat sich hier ziemliche Mühe gegeben – ich finde nur wirres Durcheinander.«
    Gemma hatte also mehr getan, als nur einen Befehl zum Löschen einzugeben. »Kannst du sie überhaupt wiederherstellen?«
    »Wenn ich … ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht. Aus so etwas hier nicht.« Er runzelte die Stirn und sah grübelnd in die Ferne. »Ich glaube nicht, dass Gemma das getan haben

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