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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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»Dummer Hund. Da unten wirst du doch ganz voll Öl.« Candy sah zu ihm hoch und lief auf die andere Seite des Wagens, den Körper immer noch vorsichtig an den Boden gepresst. Keith folgte ihr interessiert. Candy schlich zur Fahrertür, schnupperte prüfend, und ihr Winseln wurde zu einem leisen Knurren. Dann drückte sie ihre Nase gegen die dunklen Spritzer auf der Türschwelle, kratzte an der Tür und winselte.
    Auf der Fahrerseite war nur schwer an die Tür ranzukommen, weil der Wagen so eng an der Felswand geparkt war. Keith probierte den Griff, und die Tür ging einen Spalt auf. Ein Geruch wie … ihm fiel zuerst nichts Vergleichbares ein – wie im Hinterhof einer Großstadt … wie ein … Es war der Gestank von Schweiß und Pflegeheim, der Station, wo seine Mutter gestorben war. Der Geruch nach Ammoniak und Zerfall ließ ihn zurückweichen, und Candy sprang sofort hinein und fing an, auf dem Boden vor dem Sitz herumzuwühlen. Keith packte sie an den dichten Haaren der Flanken und zog sie heraus. Sie winselte laut. Um ihre Schnauze herum waren dunkle Flecken. Im Auto konnte man kaum etwas erkennen, aber sie schienen den dunklen Flecken auf dem Armaturenbrett und am Steuerrad zu ähneln, und auch der Sitz war beschmiert und, als er näher hinsah, die Fenster ebenfalls. Es erinnerte ihn an den dicken, schwarzen Schlamm der Sümpfe und Tümpel mit stehendem Wasser auf den Höhen des Coldharbour Moors. War jemand in den Sumpf gefallen und dann zum Auto zurückgekommen, um sich sauber zu machen und die Kleider zu wechseln?
    Er ging zur Beifahrerseite zurück und probierte diese Tür. Sie ging auf. Er schnauzte Candy an, die versuchte, an ihm vorbei ins Auto zu springen, und sah sich im Inneren um. Das Handschuhfach stand offen und war leer. Auch sonst war nichts im Wagen. Er fuhr mit der Hand über den Fahrersitz, er war feucht. Als er im Kofferraum nachsehen wollte, war der abgeschlossen. Ratlos sich am Kopf kratzend, machte er die Tür zu. Er musste wohl jemanden anrufen und die Sache melden. Aber die Berge blockierten auf allen Seiten die Signale für sein Telefon. Er würde den Weg ganz hinaufsteigen müssen, bis er hoch genug über den Felswänden und den steilen Seiten des Damms war und das Signal wieder empfangen konnte. Er ging los und pfiff Candy, damit sie ihm folgte. Sie rannte an ihm vorbei, sprang über die Felsbrocken und blieb dann stehen, um mit offener Schnauze und hängender Zunge zu ihm zurückzublicken. Es dauerte eine halbe Stunde, bis er oben war, und nach dem steilen Anstieg keuchte er heftig. Seine Stiefel waren schwer von der dunklen, torfigen Erde, die an ihnen klebte. Candy trug einen Stock und hatte noch genausoviel Energie wie zuvor.
    Er sah auf seiner Karte nach und überprüfte seine Position mit dem Kompass, eigentlich mehr, um nicht aus der Übung zu kommen, als dass es nötig gewesen wäre. Ein Turmfalke zog seine Kreise am Himmel über ihm. Dann machte er sich auf und ging weiter über die Höhen, und Candy sprang voraus, lief in die Heide, verschwand und wartete dann, bis er sie einholte. Es war ein wunderschöner Tag zum Wandern.
    Hull, Montag
    Anna stellte ihre Tasche vorsichtig zwischen ihren Füßen ab. Sie spürte, dass die Blicke der Klofrau auf ihr ruhten. Sollte sie etwas zu der Frau sagen, um ihr zerzaustes Aussehen zu erklären, oder sollte sie einfach so tun, als sei alles normal? Wenn sie mit ihrem starken Akzent Englisch sprach, gab es meistens feindselige Reaktionen. Geh dorthin zurück, wo du hergekommen bist! Sie ließ Wasser über ihre Hände laufen und drückte flüssige Seife auf ihr Taschentuch. Sie musste sich herrichten, brauchte einen Platz, wo sie sich zurückziehen konnte, eine Kabine. Eine lange Schlange stand an, und sie schlurfte schrittweise und mit gesenktem Kopf voran. Hier würde sie niemand suchen. Überhaupt würde sie niemand suchen. Es war ein Zufall, nur ein Unfall, nur …
    Eine Toilette wurde gespült, sie zuckte zusammen, spürte, wie ihr kalt und übel würde. Wenn sie hier bewusstlos wurde, würde jemand die Polizei rufen und dann … Bevor irgendjemand eine Bewegung machen konnte, drängte sie nach vorn, ging in die frei werdende Toilette und rempelte dabei die Frau an, die herauskam. Hinter sich hörte sie Stimmen. »Entschuldigung! Wer ist …?«
    »Wir stehen doch hier an …!« Sie verriegelte die Tür und sank auf den Sitz, ihre Tasche zwischen den Füßen, und ließ den Kopf auf die Knie sinken, bis der Schwindel vorbei

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