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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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lagen.
    »Ja, ich habe sie.« Sie hörte Papier rascheln. Er musste die Abschrift vor sich liegen haben.
    »Was ist an diesen Stellen Besonderes? Ich habe die Übersetzungen, aber das hilft nicht weiter.«
    »Sie haben die Übersetzungen?« Er schien interessiert. »Ich habe die Stellen nicht einordnen können. Was bedeuten sie?« Überrascht gab ihm Roz die Übersetzungen durch, die sie von Marcus Holbrook bekommen hatte. Greenhough sollte doch in der Lage sein, sie selbst zu übersetzen. »Woher haben Sie die?«, fragte er. »Was ist das überhaupt? Ich erkenne es nicht.«
    »Es ist Russisch«, sagte sie. »Jemand hier bei uns hat mir die Übersetzungen gegeben. Er sagte, dass Ba-yi-n-sal« – sie buchstabierte es, weil sie nicht wusste, wie es ausgesprochen wurde – »ein umgangssprachlicher Ausdruck des Ärgers sei, so etwas Ähnliches.« Holbrook hatte auch nicht versucht, das Wort auszusprechen.
    »Ist Russisch Ihr Arbeitsgebiet?« Er klang verwirrt.
    »Nein, überhaupt nicht. Ich versuchte nur die letzten Fragen abzuklären, die Gemma noch hatte. Deshalb habe ich jemand anderen hinzugezogen.« Sie wollte nicht, dass er den Eindruck bekäme, sie wolle sein Fachwissen in Frage stellen.
    »Okay«, sagte er. »Also, was immer man Ihnen gesagt hat, dieser Ausdruck ist nicht russisch, weder ist jugun ein Wort für Leute, noch ist es überhaupt Russisch. An dem ›j‹ hätten Sie das erkennen können. Ich versuche herauszufinden, woher es kommt, aber bis jetzt habe ich noch kein Glück gehabt.«
    Roz schwieg. Marcus Holbrook war sicher gewesen. Sie erinnerte sich, wie er einen Blick auf den Ausdruck geworfen hatte und ihn sofort erkannte. »Sind Sie sicher?«, fragte sie nach kurzer Pause.
    »Natürlich«, antwortete er kühl.
    »Es tut mir Leid«, sagte sie schnell. »Klar sind Sie sicher. Es ist nur so, dass die Person, die es mir übersetzte, … er war völlig überzeugt.«
    »Wer war es?«
    Roz zögerte einen Moment. Sie wollte keinen Klatsch über einen Kollegen verbreiten. Andererseits war Holbrook ein anerkannter Experte. Wenn Greenhough wusste, woher die Information kam, würde er vielleicht zu dem Schluss kommen, dass er selbst einen Fehler gemacht hatte. »Marcus Holbrook«, sagte sie.
    Am anderen Ende war es still, dann sagte Greenhough: »Ich glaube, Sie haben da etwas durcheinander gebracht.«
    Roz ärgerte sich und wollte gerade antworten, dachte dann aber, dass es vielleicht tatsächlich so sein könnte. Möglicherweise. Sie hatte ein paar Notizen auf ihre Niederschrift gekritzelt, hatte sich aber nicht vergewissert, dass sie den gleichen Text vor sich hatten. Jedenfalls konnte sie sich jetzt nicht mehr genau erinnern. »Ich werde noch mal nachsehen«, sagte sie.
    »Tun Sie das. Ich wusste nicht, dass Marcus diese Sachen gesehen hat. Ich werde ihn anrufen.«
    Sein Tonfall deutete an, dass er das Gespräch beenden wollte. Einem spontanen Einfall folgend, sagte Roz schnell: »Da ist noch etwas, Dr. Greenhough …«
    »Ja?«
    »Wie würde ein russischer Sprecher das englische Wort ›cat‹ aussprechen?«
    »›Cat‹?« Er dachte einen Moment nach. »Man würde so etwas wie einen ›e‹-Laut bekommen, so etwas wie ›ket‹.«
    Holbrook hatte etwas anderes gesagt. Sie begriff das nicht. »Danke für Ihre Zeit. Wenn Sie herausfinden, worum es auf dem Band geht, würden Sie es mich dann wissen lassen?«
    »Ja, nachdem ich mein Ergebnis der Polizei vorgelegt habe«, sagte er. So kamen sie zu einem relativ freundlichen Ende des Telefonats.
    Als Roz nach Hause fuhr, war sie gereizt und schlechter Laune. Alles schien darauf angelegt, sie zu ärgern. Sie stand die meiste Zeit im Stau und kam nur langsam voran. Als sie auf Wicker Arches zukroch, fuhr der Wagen vor ihr gemütlich und langsam, auch wenn sich eine Lücke öffnete. Roz hatte große Lust, Gas zu geben und jede Lücke mit einem schnellen Überholmanöver zu schließen. Ihr Rücken kribbelte vor Anspannung und Ärger, und sie spürte, dass sie Kopfschmerzen bekam.
    Endlich ließ sie die großen Straßen hinter sich, bog ab und fuhr auf den kleinen Park zu, der ihrem Haus gegenüberlag. Mit einem Ruck schaltete sie unüberlegt heftig, um ihrer Wut Luft zu machen. Beim Einbiegen in die Einfahrt verursachte sie einen Kratzer, was ihr noch nie passiert war, obwohl sie scharf einbiegen musste. Sie schloss die Haustür auf und stellte ihre Taschen ab. Das Licht am Anrufbeantworter blinkte. Erleichtert drückte sie auf den Knopf, aber es war nur

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