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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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überlegte. Wenn Gemma nichts darüber gesagt hatte, dann musste sie es selbst herausbekommen. Sie sah Sean an. »Erzählen Sie mir von dem Archiv.«
    »Wieso wollen Sie darüber sprechen?« Zunächst schien er verstimmt. Er wünschte sich, dass sie sich für ihn persönlich interessierte. Dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck. »Hören Sie, darf ich Sie zum Mittagessen einladen? Dann erzähle ich Ihnen alles.«
    »Ich habe leider keine Zeit«, sagte Roz schnell, merkte aber, dass dies ein Fehler war. Sie hätte es einfach rundweg ablehnen sollen.
    »Morgen?«, fragte er.
    »Nein danke, ich habe im Moment zu viel zu tun. Ich muss jetzt in die Abteilung zurück. Es würde mir aber wirklich helfen, wenn Sie mir etwas mehr über das Holbrook-Archiv erzählen könnten. Wenn es nicht möglich ist, kann ich auch mit Professor Holbrook selbst sprechen.«
    »Aber lieber würden Sie mit mir sprechen.« Er sah wieder froh aus. »Okay. Aber danach müssen Sie mir erlauben, Sie etwas zu fragen. Abgemacht?« Er lächelte sie an, lehnte sich zu ihr hinüber und berührte dabei fast ihren Arm.
    »Abgemacht«, sagte Roz und rückte ein wenig ab. Obwohl sie nichts dagegen hatte, dass er seinen Charme spielen ließ, wollte sie keine falschen Signale aussenden. Sie hörte zu, als er die Sammlung beschrieb, an der Marcus Holbrook seit einigen Jahren arbeitete. Das Holbrook-Archiv war eigentlich eine Datenbank. Holbrook war dabei, es zu einem elektronischen Sammelwerk umzuwandeln, das es Forschern erlauben würde, in wenigen Minuten Fragen zu gesprochenem Russisch abzuklären, deren Bearbeitung mit traditionellen Methoden Jahre in Anspruch nehmen würde. »Aber er hatte nicht das Programmierwissen«, sagte Sean. »Die Datenbank hat funktioniert, aber sie war langsam, schwerfällig und voller Fehler. Sie war sozusagen seine ureigene Sache. Er wollte niemand anderen dranlassen, verstehen Sie? Aber ich organisiere das jetzt für ihn.« Während er über seine Arbeit sprach, vergaß er seine Irritation und erklärte begeistert, welche Pläne er für die Weiterentwicklung hatte.
    Das war für sie der Augenblick, um ihr Thema wieder einzubringen. »Aber Gemma hat nie gesagt, wonach sie suchte?«
    Er schien enttäuscht, sagte aber: »Zu mir nicht. Ich kann nachsehen, ob sie irgendwelche Unterlagen dagelassen hat.«
    »Danke.« Roz trank ihren Kaffee aus. »Ich wüsste es wirklich gern. Also, ich glaube, ich sollte in die Abteilung zurückgehen.« Sie ließ sich vom Hocker gleiten und klemmte die Zeitung unter den Arm. Sich mit dem eifrigen jungen Mann zu unterhalten, war eine angenehme Unterbrechung gewesen, aber die unerledigte Arbeit, die sich während der vergangenen Woche angesammelt hatte, drängte.
    »Warten Sie.« Er hielt ihre Hand fest. »Unsere Abmachung, Sie erinnern sich?«
    Roz lachte. »Okay. Schießen Sie los.«
    Er stand auf. Roz war nicht bewusst gewesen, wie groß er war. »Ich habe Karten für das Jazz Festival im Studio am Samstagabend. Würden Sie gern mitkommen?«
    Roz wusste, dass das Festival seit Wochen ausverkauft war. Sofort nachdem es angekündigt worden war, hatte sie versucht, Karten zu bekommen, aber ohne Erfolg. Trotzdem war sie sich sicher, dass sie die Grenzen nicht verwischen wollte, indem sie mit Sean zu einer öffentlichen Veranstaltung ging. »Sie haben Glück, überhaupt Karten zu haben«, sagte sie. »Ganz zu schweigen, dass Sie noch welche übrig haben.«
    Er schien sich zu freuen. »Ich habe Beziehungen«, sagte er. »Kommen Sie also mit?«
    Roz schüttelte den Kopf. »Es ist sehr nett, eingeladen zu werden, vielen Dank, aber ich habe zu tun …«
    »Sagen Sie die Termine doch ab«, meinte er.
    »Ich habe zu tun«, wiederholte sie. »Und überhaupt, ich bin verheiratet, es wäre also wirklich keine gute Idee.«
    Seine Miene verdüsterte sich. »Ich bin nicht in Sie verknallt oder so etwas«, sagte er.
    Das war so offenkundig kindisch, dass Roz fast gelacht hätte. »Dann macht es Ihnen ja nichts aus, oder?«, fragte sie.
    Er sah etwas beschämt aus. »Es macht mir trotzdem etwas aus«, sagte er. »Bitte, kommen Sie doch mit.«
    Sie war selbst überrascht, dass sie einen Moment überlegte, aber sie wusste, es war eine schlechte Idee. »Tut mir Leid, ich kann nicht.« Sie nahm ihren Mantel und hielt inne, als ihr etwas einfiel. »Komme ich von der Law-and-Language-Group aus in Holbrooks Archiv? Oder von der Zentralbibliothek?«
    Er schien über ihre Ablehnung immer noch verärgert zu sein, schaffte

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