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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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springt aus der kleinen Tür und ruft zur halben Stunde. Der junge Mann hebt wieder seine Hände und schlägt diesmal viermal jauchzend die Hände zusammen.
    »Das haben Sie nicht erwartet, was?« sagt die Kousta. »Wahrscheinlich haben Sie mit etwas ganz anderem gerechnet.«
    »Ja.« Wie soll ich ihr beibringen, daß mich Makis beeinflußt hat und ich in der Gewißheit hierhergekommen bin, sie in den Armen ihres Liebhabers vorzufinden?
    »Es gibt nichts anderes, Herr Kommissar. Das ist Stefanos, mein Sohn. Ich habe ihn mit fünfundzwanzig zur Welt gebracht. Ich bin genau doppelt so alt wie er.« All das sagt sie in einem ruhigen, fast neutralen Tonfall, als mache sie eine Zeugenaussage. »Wie haben Sie es herausbekommen?« fragt sie. »Wie haben Sie erfahren, daß ich hierherkomme?«
    »Uns lag ein Hinweis vor, daß Sie jeden Dienstagnachmittag aus dem Haus gegangen und erst spät abends zurückgekehrt sind.« Damit gebe ich implizit zu, daß wir sie beschatten.
    »Wer hat Ihnen den Hinweis gegeben?«
    »Ich bedaure, das darf ich Ihnen nicht sagen.«
    Sie lächelt. »Da muß man nicht lange nachdenken, um das zu erraten«, meint sie. »Niki ist aus dem Haus, mein Mann ist tot, Serafina, meine Philippinin, hat nie mit Ihnen gesprochen. Bleiben nur die Leute des Sicherheitspersonals und Makis.« Sie hält inne und wartet auf eine Antwort, doch ich halte meinen Mund. »Da Sie nichts sagen, heißt das wohl, es war Makis«, meint sie. »Was hat er Ihnen gesagt?«
    Es hat keinen Sinn mehr, es vor ihr geheimzuhalten. »Daß Sie jeden Dienstagnachmittag aus dem Haus gingen, um sich mit Ihrem Liebhaber zu treffen.«
    Das bittere Lächeln verwandelt sich in ein bitteres Auflachen. »Armer Makis, wiederum hatte er nicht ganz unrecht. Wie sollte er sich in seiner Ahnungslosigkeit auch so etwas vorstellen können? Das war immer schon sein Problem, sein Ansatz war richtig, doch die Schlußfolgerungen verkehrt. Darum ist nichts aus ihm geworden.«
    »Wußte Ihr Mann davon?«
    »Ja, von Anfang an. Als er mir seinen Heiratsantrag machte, erklärte ich ihm, er solle zu mir nach Hause kommen, weil ich ihm etwas zeigen müsse. Ich stellte ihm Stefanos vor und erklärte ihm, daß er ein uneheliches und behindertes Kind war.«
    Wir stehen immer noch. Die Kousta fordert mich nicht zum Hinsetzen auf, sondern geht auf ihren Sohn zu und streichelt ihn. Der junge Mann scheint ihre Hand nicht zu spüren. Er hält den Blick nach wie vor auf die Kuckucksuhr geheftet, doch ohne in die Hände zu klatschen. Vielleicht hat er begriffen, daß der Kuckuck erst nach einer Weile wieder herausschnellen wird, vielleicht ist er auch der Welt und seiner selbst überdrüssig geworden.
    »Und wie hat er darauf reagiert?«
    »Er meinte, es störe ihn nicht weiter.« Sie ringt sich wieder ein Lächeln ab und fährt in bitterem Ton fort: »Als ginge es um irgendeine bedeutungslose Einzelheit. Er meinte, ich solle eine Wohnung und eine vertrauenswürdige Pflegerin besorgen, die sich um Stefanos kümmern würde. Er wollte alle Ausgaben übernehmen, doch nur unter einer Bedingung: Ich durfte ihn nie wiedersehen.«
    »Und Sie sind darauf eingegangen?«
    »Zuerst wollte ich nein sagen. Dann aber dachte ich, daß damit Stefanos’ Pflege ein für allemal gesichert wäre. Während sein Unterhalt bei mir und meiner Lebensweise ganz und gar nicht gewährleistet war. Ich habe mit Keti, einer entfernten Cousine meiner Mutter aus Katerini, Kontakt aufgenommen und sie als Pflegerin hierhergebracht.« Sie pausiert kurz. Als sie wieder zu sprechen beginnt, ist ihre Stimme eindringlicher, als müsse sie sich im nachhinein vor ihrem Mann rechtfertigen. »Aber ich hielt es nicht aus, Stefanos nicht zu sehen«, meint sie. »Ich konnte mich sechs Monate lang beherrschen, doch ich litt Höllenqualen. Eines Tages – ich wußte, daß Dinos am Dienstagnachmittag immer zum Training seiner Mannschaft ging – konnte ich nicht mehr. Ich ging einfach zu Stefanos. Ich hatte furchtbare Angst, er könnte dahinterkommen. Doch er merkte nichts, und so schlich ich mich jeden Dienstagnachmittag aus dem Haus.« Sie holt tief Luft und lächelt mir zu. »Nun wissen Sie alles, Herr Kommissar. Nichts aus meinem Leben ist Ihnen verborgen geblieben.«
    Das ist klar, doch es nützt mir alles nichts – mit Ausnahme eines kleinen Hinweises, dem nunmehr geringe Bedeutung zukommt. Koustas hatte entweder schon damals seine Geldwaschanlage in Betrieb genommen, oder er stand kurz davor. Deshalb bestand er

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