Nachtfalter
hatte kein Hauptquartier, damit ihm keiner was nachweisen konnte.«
»Dann werfen wir eben einen Blick auf die Villa.«
Der Gedanke erfüllt ihn nicht gerade mit Begeisterung. Doch möchte er Auseinandersetzungen mit der Polizei lieber aus dem Wege gehen. »Suchen Sie«, meint er. Dann geht er ins Wohnzimmer voran.
Das Wohnzimmer ist noch immer in Dunkelheit getaucht. Doch im Gegensatz zu meinem letzten Besuch befindet es sich in einem Zustand der Auflösung. Auf dem Sofa und den beiden Sesseln liegt eine ganze Kollektion von Hemden, Hosen und Sportjacken ausgebreitet. Auf den beiden Holzstühlen stehen Wein- und Whiskyflaschen sowie Coladosen, während auf dem Tischchen dazwischen eine Sammlung unterschiedlicher Gläser aufgereiht steht. Makis fläzt sich in einen Sessel, mitten auf seine Kleider.
»Wo ist das Personal?« frage ich.
»Die sind alle weg«, entgegnet er mit einem zufriedenen Grinsen. »Mein Vater und meine Stiefmutter hatten sie darauf angesetzt, mich zu bespitzeln. Wie Bullen in meinem eigenen Haus, die herausfinden sollten, wohin ich gehe, was ich tue, was ich trinke, was ich esse. Sobald ich Elena abgeschüttelt hatte, schickte ich sie alle fort und habe endlich meinen Frieden.« Er sagt es mit der Freude eines Jugendlichen, der sich von der einen Abhängigkeit befreit, um sich ohne Zögern in die nächste zu begeben.
»Was hat das Erdgeschoß noch für Zimmer?« frage ich.
»Eßzimmer, Küche und Toilette. Oben gibt es drei Schlaf- und zwei Badezimmer. Im Garten, direkt neben der Küchentür, finden Sie eine Treppe, die in den Keller führt.«
»Dann fangen wir erst mal mit dem Keller an«, sage ich zu Dermitzakis. Wenn Koustas in seinem Haus etwas verborgen hatte, dann ist ein Versteck im Keller naheliegend.
Als wir wieder auf den Flur treten, schaue ich zuerst ins Eßzimmer. Scheinbar benutzt Makis es nicht, denn es ist peinlich sauber, ein Museumsraum mit Ausstellungsstücken aus Elena Koustas Zeiten. Rund um den großen rechteckigen Tisch stehen etwa zehn Stühle. Das Büfett ist vierteilig und erstreckt sich über die ganze rechte Zimmerwand. Darauf steht Kristallgeschirr in Reih und Glied, Vasen, Teller und Obstschalen, während an der linken Wand das Familiensilber in einer Vitrine funkelt. Drei Bilder hängen über dem Büfett, zwei Porträts und dazwischen ein Landschaftsgemälde. Die Blumen in der Kristallvase auf dem Tisch sind verwelkt und haben ihre Blütenblätter auf den Tisch fallen lassen.
Die geräumige Küche liegt neben dem Wohnzimmer und ist vollkommen verdreckt und stinkt. Adriani wäre bei dem Anblick in Ohnmacht gefallen. In der Spüle stapeln sich die Teller bis zur Höhe des Wasserhahns, während auf der Marmorablage links und rechts der Spüle Pizzaschachteln samt Essensresten, Butterbrotpapier mit Souflakistückchen, nicht verspeiste Pommes und ein abgenagtes Grillhähnchen vor sich hin gammeln. Auf dem Küchenboden muß Orangensaft oder Coca-Cola verschüttet worden sein, denn unsere Schuhe bleiben kleben.
Im Vorgarten holen wir beide tief Luft, um uns von dem durchdringenden Gestank zu befreien. Die Kellertreppe hat gerade mal vier Stufen. Wir stoßen die Holztür auf und treten ein. Der Keller ist noch düsterer als das Haus. Dermitzakis tastet mit der Hand nach dem Lichtschalter. Wenigstens hat Makis die Stromrechnung bezahlt.
Der Keller dehnt sich unter der gesamten Villa aus und besteht zur einen Hälfte aus einem Weinlager, zur anderen aus Arbeitsräumen für das Personal. An der linken Wand stehen eine Waschmaschine und ein Trockner. Daneben zwei riesige Körbe, vermutlich für die Schmutzwäsche. Dermitzakis wirft einen Blick hinein, dann öffnet er die Waschmaschine. Er tut einfach nur seine Pflicht, und erwartungsgemäß findet er nichts. An der hinteren Wand lehnen zwei Kinderfahrräder. Das eine muß Niki, das andere Makis gehört haben.
Das Weinlager besteht aus einem Regal mit vier Böden, in denen die Flaschenhälse schräg nach oben ragen. Ich mustere die Etiketten, die allesamt fremdsprachig sind, aber keine einzige englische Aufschrift tragen, die ich hätte entziffern können. Vermutlich sind alles französische Weine. Es liegt auf der Hand, daß Koustas von den Weinlieferungen für das Canard Doré einige Flaschen für seinen persönlichen Gebrauch abgezweigt hat, um sie bei sich zu Hause zu trinken. Das Weinregal ist ein filigranes Gestell mit schmiedeeisernen Stäben an der Rückwand, das bloß an die Wand gelehnt und nicht
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