Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
darauf, daß sich die Kousta von ihrem Sohn lossagte. Er wollte bei seinen Geschäften keine Angriffsflächen bieten. Und das behinderte Kind wäre eine solche Angriffsfläche gewesen und mußte von der Bildfläche verschwinden. Er wollte die Kousta nicht verlieren, aber auch jegliche Möglichkeit ausschalten, daß man ihn mit dem unheilbar kranken Sohn seiner Frau unter Druck setzen konnte.
    Ich strecke der Kousta meine Hand hin. »Entschuldigen Sie die Störung«, lalle ich wie ein Vollidiot, doch ich weiß nichts anderes zu sagen.
    »Leben Sie wohl, Herr Kommissar«, entgegnet sie. »Und ich hoffe, daß Sie mir jetzt, wo Sie alles in Erfahrung gebracht haben, nicht weiter nachspionieren.«
    Sie sagt es ohne Tadel in der Stimme, ganz ohne Bosheit, so daß es mir um so peinlicher ist. Plötzlich übermannt mich der Wunsch, ihr alles zu erklären, ihr zu sagen, wie sehr ich mich dafür schäme, daß ich so niedrig von ihr dachte, und wie sehr ich zugleich gehofft hatte, daß ich mich täuschen und Makis Lügen gestraft würde. Aber ihre Bitterkeit, die sie gekonnt zu einer würdevollen Haltung stilisiert, und der Bulle in mir verurteilen mich zum Schweigen. Ich drehe mich um und gehe.

43
    I ch treffe mit einer halben Stunde Verspätung im Café Zauberflöte ein. Ich bin zwar schon hundertmal daran vorbeigefahren, doch nun trete ich zum ersten Mal ein. Die Stammgäste sind Pseudointellektuelle mit Pferdeschwanz, Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte. Vermutlich haben sie an meinem Gesichtsausdruck oder an meinem Anzug von der Stange abgelesen, daß ich Bulle bin. Denn alle fixieren mich gleichzeitig. Ich lasse mich davon nicht beeindrucken und versuche gleich Katerina ausfindig zu machen. Sie sitzt im letzten der Séparées, die die linke Hälfte des Cafés einnehmen. Vor ihr steht eine Tasse Kaffee, die sie in kleinen Schlucken leert. Ich gehe auf sie zu und setze mich ihr gegenüber hin.
    »Tut mir leid, daß ich spät dran bin«, sage ich.
    »Macht nichts. Mit einem Polizeibeamten als Vater weiß man, daß Polizisten ihre Terminplanung nicht im Griff haben.«
    Wir lachen, und das entspannt die Situation etwas. Ich fühle mich nicht gerade in Hochform. Das Café gefällt mir nicht, und meine Gedanken kommen nicht von Koustas’ geheimen Geschäftsbüchern los. Hätte ich gewußt, wie mein Tag verlaufen würde, hätte ich für heute kein Treffen vorgeschlagen. Der Kellner beugt sich über mich, und ich bestelle einen frischgepreßten Orangensaft, um ihn loszuwerden.
    »Also, was wolltest du besprechen?« frage ich sie.
    Sie antwortet nicht sogleich. Sie streicht mit ihren Fingern die Kaffeetasse entlang und hebt den Blick. »Ich habe mir eigentlich fein säuberlich zurechtgelegt, was ich dir sagen wollte. Doch jetzt weiß ich nicht, wie ich anfangen soll«, meint sie, und der Widerschein eines Lächelns zieht über ihr Gesicht.
    »Rede einfach, wie dir der Schnabel gewachsen ist«, entgegne ich. »Ist es denn so schwer, mit deinem Vater zu reden?«
    »Manchmal schon. Und in der letzten Zeit ist es ziemlich schwer«, setzt sie leise hinzu.
    »Komm, leg los. Ich höre dir zu, und wir reden über alles. Wir beide haben doch immer über alles geredet.«
    Sie blickt mich schweigend an, als zweifle sie an meinen guten Absichten. Dann strafft sich ihr Körper. »Na gut. Ich wollte dich fragen, was du gegen Fanis hast; warum du ihn so behandelst.«
    Eine solche Einleitung habe ich nicht erwartet. »Ich?« sage ich verärgert. »Was soll das heißen: wie ich ihn behandle?«
    »Vorgestern bei der Untersuchung hat er deine Miene gesehen und sofort den Rückzug angetreten.«
    »Meine Miene? Wieso denn meine Miene? Davon, was er für ein Gesicht machte, hat er nichts erwähnt?«
    »Schrei nicht so laut.«
    »Weißt du, wie er sich mir gegenüber verhalten hat? Als wäre ich ein Rentner der Bauernkrankenkasse –«
    »Schrei nicht so laut.«
    »– den die Ärzte so schnell wie möglich loswerden wollen. Er hat mich kaum gegrüßt und die Untersuchungsergebnisse genauer angesehen als mich selbst. Zum Schluß –«
    »Schrei nicht so laut.«
    »– hat er, was er zu sagen hatte, mit deiner Mutter besprochen, als wäre ich noch nicht volljährig und er müßte alles mit meinem Vormund bereden. Und dann wundert er sich über meinen Gesichtsausdruck? Hätte ich ihm vielleicht die Füße küssen sollen?«
    »Bitte schrei nicht so laut.«
    Erst jetzt wird mir bewußt, daß ich wirklich ziemlich laut geworden bin. Die

Weitere Kostenlose Bücher