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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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durch den Kopf, denn er ruft entsetzt: »Ich habe ihn nicht umgebracht, Herr Kommissar! Ich schwöre es! Na gut, ich habe die fünfzehn Millionen gefunden, meine Sicherungen sind durchgebrannt, und ich habe zugegriffen. Aber ich habe Koustas nicht erpreßt, und ich habe ihn nicht auf dem Gewissen. Es war reiner Zufall, ich schwöre es.«
    »Wo war das Geld? Im Wagen? Oder hielt er es in der Hand?«
    »Es war in zwei großen Plastiktüten verpackt. Zunächst habe ich gar nicht bemerkt, daß Geld darin war. Ich dachte, es ginge um Rauschgift, und hatte die Hosen voll. Als ihn der Mörder ansprach, drehte er sich um und wollte ihm die Tüten aushändigen, doch der andere schoß viermal und rannte weg. Er verschwendete keinen Blick an die Plastiktüten. Als Koustas zu Boden fiel, lag das Geld auf dem Asphalt verstreut. Ich lief hin und sah, daß er tot war. Ich packte die Tüten, steckte sie unter meinen Mantel, genau so, wie Sie sagten, trat in das Nachtlokal und rief die Polizei. Danach versteckte ich die Beutel hinter dem Vorhang bei den Musikern und nahm sie auf dem Heimweg mit.«
    »Was haben Sie mit dem Geld gemacht?«
    Er senkt den Kopf und stottert: »Ich habe einen Mazda 323 gekauft. Den hatte ich schon lange im Visier. Ich habe ungefähr eine Million für verschiedene andere Einkäufe ausgegeben … Ein Fernsehgerät … Eine Stereoanlage … Eine Klimaanlage für die Wohnung … Die restlichen zehn Millionen stecken in meiner Matratze …«
    Mir liegt auf der Zunge, ihm anzuraten, er möge die Klimaanlage wieder ausbauen und in seine Zelle zur Kühlung mitnehmen, damit er das Geld nicht ganz umsonst rausgeschmissen hat. Doch mir steht der Sinn nicht nach Scherzen. Er hat am verbotenen Futtertrog genascht und das Geld für Autos, Fernsehgeräte und Stereoanlagen sinnlos verpulvert. Hätte es ein Albaner gestohlen, so wäre das Kapital durch die Gründung einer Firma in Argyrokastro zumindest nutzbringend in Umlauf gebracht worden.
    »Was sollen wir mit ihm anfangen?« fragt mich Vlassopoulos.
    »Er hat Koustas nicht umgebracht, somit betrifft er uns nicht. Reich ihn an das Referat für Eigentumsdelikte weiter«, sage ich.
    Auf dem Weg nach draußen läßt mich eine von Mantas’ Äußerungen nicht zur Ruhe kommen. Der Mörder hat Koustas angesprochen, und der wandte sich um, um ihm die Plastikbeutel mit dem Geld zu überreichen. Die fünfzehn Millionen waren für den Mörder vorgesehen, doch der zog es vor, Koustas um die Ecke zu bringen, ohne das Geld zu kassieren. Warum bloß? Ich weiß es nicht, aber eines ist sicher. Der Mörder hat Koustas nicht erpreßt. Das Geld stammte aus schmutzigen Geschäften, und der Mord an Koustas war eine kaltblütige Hinrichtung. Irgendwen hatte er über den Tisch gezogen, und der streckte ihn nieder, um ihn dafür bezahlen zu lassen.

31
    I m fünften Stock angelangt, atme ich tief durch. Nachdem sich in den beiden Mordfällen so viele Tage lang nichts getan hat, bildet der Nachweis der fünfzehn Millionen, die Koustas am Abend des Mordes bei sich trug, schon einen kleinen Erfolg. Und ich beeile mich, alles, was ich weiß, Gikas zu verkünden und ihm auch gleich den Täter mitzuliefern. In den vergangenen Tagen verlangte er andauernd nach irgendeinem Hinweis, einer klitzekleinen Information, um sie den Reportern zu präsentieren. Das, was ich ihm heute berichten kann, reicht für eine Presseerklärung und sichert den Reportern für zwei bis drei Tage ihr Brot. Nur Mantas bleibt das Nachsehen, da er die Million verliert, die er so gerne für seinen Auftritt vor laufender Kamera eingestrichen hätte. Statt dessen muß er nun den Journalisten, ganz wie ich prophezeit hatte, seine Version gratis auftischen. Mantas’ Festnahme bringt uns zwar in dem einen wie in dem anderen Mordfall den eigentlichen Tätern keinen Schritt näher und spricht gegen meine Theorie bezüglich Makis’ Rolle. Aber noch halte ich die Entdeckung parat, daß Niki Koustas Arbeitgeber die Fußballmannschaft ihres Vaters gesponsert hat. Wenn man dieses Detail ein bißchen aufbläht, dann reicht es für eine weitere Presseerklärung.
    Ich stürme in den Vorraum zu Gikas’ Büro, doch dort halte ich abrupt an. Auf Koulas Schreibtisch liegen Papiere und Aktenordner durcheinander, dazu noch der Inhalt der Schubladen: Kohlepapier, Locher, Radiergummis, Nagelscheren, ein Fläschchen Nagellack. Koula sitzt mit aufgestützten Ellbogen an ihrem Schreibtisch und vergräbt den Kopf in die Hände. Sie bemerkt mein

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