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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Eintreten und blickt mich an. Ihre Augen sind rotgeweint und verquollen.
    »Was um Himmels willen ist denn los?« frage ich und eile auf sie zu.
    »Er will mich nicht mehr.« Zunächst vermute ich, daß ihr Verlobter sie sitzengelassen hat, doch als sie »Ich muß gehen, er hat mich versetzt« hinzufügt, begreife ich, daß sie von Gikas spricht.
    »Aber wieso denn?«
    »Mein Verlobter, dieser Blödmann, ist an allem schuld.« Und sie schluchzt laut auf.
    Mein erster Gedanke ist, daß Gikas sie versetzt, weil sie seit ihrer Verlobung früh aus dem Büro geht und ihm das nicht in den Kram paßt. Doch lieber frage ich nach, um mich zu vergewissern.
    »Nein, das ist es nicht«, meint sie unter heftigem Schluchzen. »Er baute gerade an einem zweistöckigen Haus in Dionysos, als das örtliche Polizeirevier die Arbeiten unterbrechen ließ, weil die Baugenehmigung nicht in Ordnung war.«
    »Es war ein illegal errichtetes Gebäude?«
    Sie nickt. »Und mein Verlobter, dieser Dummkopf, hatte die tolle Idee, dem Kriminalobermeister gegenüber hervorzuheben, seine Verlobte sei die Privatsekretärin des Leitenden Kriminaldirektors. Der Kriminalobermeister rief Gikas an, um sich abzusichern, und der ist prompt durchgedreht.«
    »Kommen Sie, Koula, es wird schon wieder«, versuche ich sie zu trösten. »Da wird sich schon noch etwas machen lassen.«
    »Nein. Er hat meine Versetzung bereits in die Wege geleitet.«
    Und sie kehrt in ihre ursprüngliche Körperhaltung zurück: die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt und den Kopf in die Hände vergraben. Mir fällt kein weiteres Trostwort ein, und ich trete in Gikas’ Büro. Gikas mag ja mit allen möglichen verqueren Eigenschaften geschlagen sein, doch er ist ein Ehrenmann. Wenn er dahinterkommt, daß einer von seinen Leuten bestechlich ist oder illegale Geschäfte macht, sorgt er für Ordnung. Als ich zur Tür hereinkomme, steht Gikas vor dem Fenster und blickt hinaus, ein Zeichen dafür, daß er genervt ist, denn nur dann verläßt er seinen Schreibtischstuhl.
    »Wie komme ich zur Ehre Ihres werten Besuchs?« meint er spöttisch. »In letzter Zeit machen Sie sich rar.«
    »Ich melde mich eben, wenn es etwas zu berichten gibt«, sage ich. Und ich erzähle ihm von der Geldsumme, die Koustas am Abend des Mordes bei sich hatte, und von Mantas.
    »Endlich können wir ein paar Leuten den Mund stopfen«, meint er zufrieden und setzt sich an seinen Schreibtisch, da er nun keine Veranlassung mehr sieht, aufrecht zu stehen. »Bereiten Sie mir eine Zusammenfassung vor.«
    Er hat sie am liebsten in der Länge einer Seite, damit er sie auswendig aufsagen kann. Bei zwei Seiten muß er nämlich immer wieder seinen Spickzettel konsultieren.
    »Soll ich erwähnen, daß Koustas die fünfzehn Millionen seinem Mörder übergeben wollte?«
    Er blickt mich nachdenklich an. »Das sagt Mantas bloß, um sich herauszuwinden. Ich persönlich glaube an Ihre Version. Mantas war es, der ihn erpreßte. Ihm wollte er das Geld übergeben. Er gibt es jedoch nicht zu, um den Erpressungsversuch nicht zusätzlich aufgehalst zu bekommen.«
    Na bravo, denke ich, die von mir konstruierte Geschichte, mit der ich Mantas einschüchtern wollte, entwickelt sich zu einer richtigen Theorie weiter. Ich setze meinen Bericht fort und erzähle ihm von dem Geldgeber für Koustas’ Fußballverein.
    »Ich sehe nicht ein, was das für eine Bedeutung haben könnte«, meint er verdrossen. »Alle Mannschaften sind auf der Suche nach Sponsoren. Er hat eben den Arbeitgeber seiner Tochter dazu überreden können.«
    »Mit 240 Millionen jährlich? So viel Geld für eine Mannschaft der dritten Liga? Kommt Ihnen das nicht seltsam vor?«
    »Der Steuerprüfer hat Ihnen doch erklärt, worum es geht. Um Steuerhinterziehung mit legalen Mitteln.«
    Wieder kommt er auf die einfachen Erklärungen zurück, was mir gar nicht paßt. Ich habe keineswegs vor, so schnell klein beizugeben, doch meinen Trumpf spare ich mir für später auf. Wenn ich mich jetzt zu weit vorwage, erteilt mir Gikas nämlich Redeverbot.
    In der Tür bleibe ich kurz stehen und wende mich um. »Koula ist seit drei Jahren bei Ihnen. Sie kennt Ihre Gewohnheiten und wird Ihnen fehlen«, sage ich.
    Er wirft mir einen – Koula zugedachten – giftigen Blick zu. »Wissen Sie, was sie mir angetan hat?« fragt er.
    »Doch nicht sie! Ihr Verlobter. Koula schwört, daß sie keine Ahnung davon gehabt hat.«
    Was ist bloß plötzlich in mich gefahren, daß ich den Witwen- und Waisenretter

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