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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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spiele? Was liegt mir eigentlich daran, ob Koula als Strafzettelarchivarin in ein anderes Polizeirevier versetzt wird oder nicht? Auf diese Frage finde ich keine plausible Antwort. Vielleicht hat die Beziehung meiner Tochter zu Ousounidis etwas damit zu tun. Wenn man ihn bei der Entgegennahme eines Geldbriefchens ertappte, würde ich wie ein Löwe darum kämpfen, Katerina von allen Vorwürfen reinzuwaschen, und das erzeugt in mir eine seltsame Solidarität mit allen Armen und Zukurzgekommenen. Für einen Bullen bist du ganz schön seltsam drauf, Charitos, sage ich zu mir selbst. Wenn Sotiropoulos das herausbekommt, wird er alles auf deine Krankheit schieben.
    »Jedenfalls ist Koula ganz in Ordnung und versteht ihre Arbeit«, wiederhole ich.
    Besagte Koula hat einen Plastikbeutel gepackt und stopft ihre Privatgegenstände hinein. Sobald sie mich erblickt, läuft sie auf mich zu. »Ich möchte mich von Ihnen verabschieden, vielleicht sehe ich Sie ja nie wieder«, meint sie.
    »Nun machen Sie mal halblang, Sie werden ja nicht gleich ins hinterste Provinznest an die bulgarische Grenze versetzt. Wenn Sie wissen, wo Sie hinkommen, geben Sie mir telefonisch Bescheid.«
    Plötzlich streckt sie mir ihre Arme entgegen und fällt mir um den Hals. »Sie waren immer gut zu mir, Herr Charitos«, sagt sie mit von Tränen erstickter Stimme und drückt mir einen Kuß auf die Wange.
    Im allgemeinen halte ich mich aus Rührseligkeiten heraus, weil die Dinge dadurch nur noch schwieriger werden. Da sie dermaßen aufgewühlt ist, versuche ich dennoch, sie zu trösten. »Nur Mut, Koula. Da müssen wir alle mal durch. Solche Dinge gibt’s nun mal im Leben.« Ich streichle ihr Haar und löse mich von ihr. Sie lächelt bitter und wendet sich wieder ihrem Gepäck zu.
    Bevor ich in mein Büro trete, rufe ich nach Vlassopoulos. Ich trinke einen Schluck von meinem kalt gewordenen Kaffee, während mich Vlassopoulos erwartungsvoll anblickt.
    »Was gibt’s Neues von Mantas?« frage ich.
    »Man hat ihn gleich hierbehalten und wird ihn unter Anklage stellen.«
    Ich denke, Koustas’ Erben müßten mir eigentlich dankbar sein, daß ich ihnen weitere zehn Millionen verschafft habe. Insbesondere Makis, der sich dadurch für weitere drei Monate seine Dosis sichert.
    »Ist es auszuschließen, daß Mantas Koustas getötet hat?« fragt Vlassopoulos.
    Wenn, dann wären wir alle, und vor allem Gikas, wunderbar aus dem Schneider. Doch leider ist es nicht so. »Wieso sollte er ihn umbringen? Aus welchem Grund?«
    »Entweder weil er gesehen oder irgendwie gemerkt hat, daß Koustas an jenem Abend eine Unmenge Geld bei sich hatte. Da drehte er durch und machte ihn kalt, um an das Geld zu kommen.«
    »Hast du nicht gehört, was Mantas gesagt hat? Der Mörder hat Koustas angesprochen, der drehte sich zu ihm um und wollte die beiden Plastiktüten mit den fünfzehn Millionen übergeben.«
    »Das sagt Mantas. Warum sollte der Mörder das Geld liegen lassen?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß es Schwarzgeld war. Ich habe den Verdacht, daß Koustas es irgendwelchen Geschäftspartnern aushändigen wollte, um ein schmutziges Geschäft zu vertuschen. Die wollten aber das Geld gar nicht, sondern seinen Kopf – als Demonstration ihrer Stärke. Der Mord an Koustas ist von Profikillern ausgeführt worden, Sotiris.«
    Ich habe fast einen Monat damit verloren, das herauszufinden, was die Antiterrorabteilung schon nach zwei Tagen wußte, und versuche nun auch Vlassopoulos davon zu überzeugen. Sein Blick sagt mir aber, daß ihm das nicht einleuchtet.
    Ich nehme ein Blatt Papier zur Hand, um darauf die von Gikas angeforderte Pressemeldung zu schreiben. In der gegenüberliegenden Wohnung sehe ich durch die offene Balkontür den Hünen mit einer jungen Frau schmusen. Offensichtlich hat er sich, anders als Panos, mit seiner Freundin ausgesöhnt. Doch als sie sich voneinander lösen, stelle ich fest, daß es eine andere ist. Eine Große mit langen Haaren. Plötzlich fallen mir Katerinas Worte ein, daß »Frauen eben eine Schwäche für kräftig gebaute Typen haben«. Na bitte, so kommen auch die Langhaarigen in der Damenwelt zu Ehren. Vielleicht haben diese verschrobenen Typen ihren Erfolg bei den Frauen auch gar nicht ihren Muskeln zu verdanken, sondern ihren Tränen, die sie hemmungslos vergießen. Glücklicherweise bin ich aus diesem Alter raus, denn nach heutigen Maßstäben wäre ich sicherlich ledig geblieben.

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    D ie junge Frau in der Empfangshalle der R. I. Hellas

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