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Nachtflamme: Roman (German Edition)

Nachtflamme: Roman (German Edition)

Titel: Nachtflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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habe mit Professor Litz, dem europäischen Dämonenexperten, gesprochen und ihm von unserer Idee mit dem Blutritual erzählt. Er ist dagegen.«
    »Das klingt vernünftig.« Sie legte den Kopf schräg. »Komm nach hinten. Du kannst einen Kaffee haben, und ich mache mir einen Tee. Dann kannst du mir von dem Gespräch erzählen.«
    »Er hat als Erstes so was Ähnliches wie du gesagt.« Gage folgte ihr in die Küche. »Er meinte, wir könnten damit etwas auslösen, auf das wir nicht vorbereitet wären. Etwas Schlimmeres oder Stärkeres, einfach nur wegen des Rituals.«
    »Ja, der Meinung bin ich auch.« Cybil stellte den Wasserkessel auf den Herd und maß frischen Kaffee ab. »Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass wir nichts überstürzen. Wir müssen zuerst alle Informationen sammeln und mit größter Vorsicht vorgehen.«
    »Du willst es also doch tun?«
    »Ja, schon, aber erst wenn wir so geschützt wie möglich agieren können. Findest du das nicht auch?«
    »Ja, ich glaube, die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, und das reicht ja.«
    »Vielleicht, aber …« Sie hob die Hand und drückte sie auf ihr Auge. »Ich …«
    »Was ist los?«
    »Vielleicht habe ich heute zu lange am Bildschirm gesessen. Meine Augen sind müde.« Sie griff nach oben, um die Schranktür zu öffnen, verfehlte aber den Griff. »Meine Augen sind … O Gott. Ich kann nicht sehen. Ich kann nicht sehen.«
    »Warte. Lass mich mal sehen.« Als er sie an den Schultern nahm, um sie zu sich umzudrehen, packte sie ihn am Arm.
    »Ich kann überhaupt nichts mehr sehen. Alles ist grau.«
    Als er ihr ins Gesicht blickte, unterdrückte er einen scharfen Atemzug. Ihre Augen, ihre exotischen Zigeuneraugen, waren von einem weißen Film überzogen.
    »Komm, wir setzen uns. Das ist ein Trick. Das ist nur einer seiner Tricks. Es ist nicht real, Cybil.«
    Aber als sie sich an ihn klammerte, spürte er auf einmal, wie er verschwand. Er stand in der schäbigen, schmutzigen Wohnung über dem Bowlingcenter, in der er früher mit seinem Vater gewohnt hatte. Es roch nach Whiskey, Tabak, Schweiß, ungewaschener Bettwäsche und schmutzigem Geschirr.
    Dort stand die alte Couch mit den zerschlissenen Armlehnen und hier der Klappstuhl mit dem Klebeband über dem aufgeplatzten Sitzpolster. Die Stehlampe neben der Couch brannte. Jahre später, als er sich gegen seinen Vater endlich zur Wehr setzen konnte, war sie kaputtgegangen.
    Nein, dachte Gage. Ich will hier nicht wieder sein. Er trat an die Tür und drehte den Knopf. Er bewegte sich nicht, wie fest er auch daran zog. Entsetzt starrte er auf die Hand, die auf dem Türgriff lag. Es war die Hand eines Kindes.
    Dann kletterst du eben aus dem Fenster, sagte er sich. Der Schweiß lief ihm über den Rücken. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass er so entkommen wäre. Er ging in sein altes Zimmer – ungemachtes Bett, ein paar Schulbücher, eine Kommode, eine Lampe. Seine Schätze – Comics, Süßigkeiten, Spielsachen – hatte er immer versteckt.
    Das Fenster ließ sich nicht öffnen. Auch das Glas ließ sich nicht zerbrechen. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Dabei sah er sich im Spiegel über der Kommode. Klein, dunkelhaarig, dünn. Und außer sich vor Angst.
    Eine Lüge. Es war eine Lüge. Er war kein Junge, kein hilfloser Junge von sieben oder acht Jahren. Er war ein erwachsener Mann.
    Aber als er hörte, wie die Tür aufgerissen wurde, als er die taumelnden Schritte seines betrunkenen Vaters hörte, war es der kleine Junge, der zitterte.
     
    Fox schlug und trat nach den Spinnen. Sie ergossen sich jetzt über seinen Schreibtisch, fielen wie ein Wasserfall über die Kante auf den Boden. Hungrig sprangen sie ihn an, bissen zu. Unter ihrem Biss schwoll die Haut an und zerplatzte wie eine überreife Frucht.
    Dutzende krabbelten über ihn, er konnte nicht klar denken, während er gegen sie ankämpfte. Die gepolsterte Bürotür schlug zu, und als er ans Fenster zurückwich, wurde es schwarz von Spinnen.
    Er zitterte wie im Fieber, aber er schloss die Augen und zwang sich, seine Atmung zu kontrollieren. Am liebsten hätte er vor Panik und Entsetzen laut geschrien.
    Ich habe schon Schlimmeres gesehen, sagte er sich. Sein Herz hämmerte. Ganz sicher habe ich schon Schlimmeres gesehen, du Scheißkerl. Das sind doch nur ein paar Spinnen. Ich würde ja den Kammerjäger anrufen, aber sie sind nicht real, du Arschloch. Ich kann warten, bis du keine Energie mehr hast.
    Wut stieg in ihm auf und wurde stärker als Angst und Ekel.

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