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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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gesessen hatte. Behutsam setzte sie sich, als könnte sie diesen kaum spürbaren Atem stören oder die Herzschläge, die auf dem Monitor aufgezeichnet wurden. Behutsam berührte sie seine Hand, strich über jeden seiner Finger und hielt ihn endlich fest, wie sie es dem alten Guerrini versprochen hatte, atmete mit ihm und flehte um ihn.
    Ab und zu kam ein Arzt und überprüfte die Instrumente, nickte aufmunternd und verschwand. Stunde um Stunde hielt Laura Wache, trank Kaffee und Wasser, das die Schwestern ihr brachten. Aß nichts, hielt Angelo fest.
    Nur einmal ging sie kurz hinaus auf die Toilette, rief danach im Präsidium an und erklärte Claudia die Situation. Sie rief auch zu Hause an, sprach mit Sofia und bat sie, dem Großvater zu sagen, dass sie gut in Siena angekommen sei, dass Angelos Zustand stabil sei, und wusste, dass Sofia ihr nicht glaubte.
    Irgendwann, längst nach Mitternacht, bettete sie ihren Oberkörper neben Angelo, kämpfte lange gegen ihre Erschöpfung, gab endlich auf und schlief ein.
     
    Als sie aufwachte, wagte sie nicht, sich zu bewegen. Sie wusste genau, wo sie sich befand und was geschehen war. Sie wusste, dass sie neben Angelo eingeschlafen war, und sie wusste auch, dass sich etwas verändert hatte. Sie horchte, atmete nur ganz flach. Ihr Herz schlug zu schnell, sie hasste das. Es war laut, hinderte sie daran, zu hören, was sich verändert hatte.
    Etwas lag auf ihrem Kopf. Mit der linken Hand tastete sie nach diesem Etwas, mit der rechten musste sie Angelo festhalten. Doch sie konnte ihn gar nicht festhalten, seine Hand war nicht mehr da.
    Seine Hand lag auf ihrem Kopf, jetzt hatte ihre Linke sie gefunden. Seine Hand erwiderte den leichten Druck ihrer eigenen.
    Laura verharrte reglos, wollte sicher sein, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Erst als Angelo ein zweites Mal den Druck ihrer Hand erwiderte, wagte Laura, den Kopf zu heben und ihn anzusehen. Der Raum war von bläulichem Dämmerlicht erfüllt, man hatte wohl inzwischen die Nachtbeleuchtung eingeschaltet. Trotzdem konnte sie erkennen, dass Angelos Augen offen waren und dass er sie ansah.
    «Angelo?» Sie flüsterte, fürchtete, ihn zu erschrecken. «Sei ritornato …»
    Er schloss die Augen, blieb endlose Sekunden lang reglos, öffnete sie endlich wieder, entzog ihr seine Hand und berührte die Schläuche, die mit seiner Brust verbunden waren.
    «Nicht, das sind Schläuche. Du darfst sie nicht herausziehen.»
    Plötzlich wurde sein Blick wacher.
    «Schläuche?» Seine Stimme klang heiser. «Bist du das, Laura? Hast du den fliegenden Hund gesehen?»
    «Ja, ich bin’s. Den fliegenden Hund habe ich nicht gesehen, Angelo. Wo hast du ihn gesehen?»
    «Ich weiß nicht. Er kann fliegen …»
    «Wirklich fliegen?»
    «Ja, ich hab ihn gesehen …»
    Seine Hand kehrte zu ihrer zurück.
    «Kannst du auch fliegen?» Wieder schloss er seine Augen und atmete so leise, dass Laura nicht zu antworten wagte. Nach einer Weile wiederholte er seine Frage.
    «Kannst du auch fliegen?»
    «Ja, ich kann auch fliegen», murmelte sie.
    «Sonst wärst du nicht hier, oder?»
    «Nein, sonst wäre ich nicht hier.»
    «Warum bist du hier?»
    «Weil ich dich festhalten muss.»
    Guerrini schien nachzudenken.
    «Weshalb musst du mich festhalten?»
    «Dein Vater hat es mir aufgetragen.»
    «Mein Vater?»
    «Ja, dein Vater. Er hatte Angst, dass du fortfliegst, Angelo.»
    Guerrini lächelte und schloss die Augen.
    «Du solltest nicht so viel sprechen, amore. Ruh dich lieber aus.» Laura streichelte seine Hand.
    Er atmete zweimal tief ein, verzog dabei schmerzhaft das Gesicht, fragte dann kaum hörbar: «Was ist passiert?»
    Laura hielt seine Hand ganz fest.
    «Jemand hat auf dich geschossen, Angelo.»
    Er bewegte sich unruhig, schien Schmerzen zu haben.
    «Non mi ricordo.»
    «Das ist … ganz normal. Du warst lange bewusstlos.»
    Er nickte kaum merklich.
    «Wo bin ich jetzt?»
    «Im Krankenhaus.»
    Ein paar Minuten lang lag Guerrini ganz still, dann wurde er wieder unruhig.
    «Wo ist der Hund? Was ist mit Piselli? Er hatte ein Gewehr …»
    Jetzt hielt Laura ihn mit beiden Händen. «Du erinnerst dich. Das ist gut. Piselli ist in Ordnung. Wo der Hund ist, weiß ich nicht. Ist er wichtig, der Hund?»
    «Er kann fliegen.»
    Guerrinis Hand war heiß, sein ganzer Körper schien auf einmal zu glühen. Erschrocken drückte Laura auf die Klingel, um den Arzt zu rufen, und hielt Angelo dabei ganz fest.

AN DIESEM ABEND fiel es Donatella schwer, nach Hause

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