Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
seiner Polizisten losschicken könnte, um das Wellness-Paradies auf den Kopf zu stellen.
«Nein», sagte sie deshalb, «aber ich habe den Eindruck, dass die Ermittlungen auf dem richtigen Weg sind.» Sie kam sich vor wie die Bundeskanzlerin ihres eigenen Landes, die eine Meisterin ähnlicher Antworten war. Lana kniff leicht die Augen zusammen, lächelte dann wieder auf diese einstudierte Weise, indem er nur einen Mundwinkel hochzog, und wandte wieder den Kollegen zu: «Wir machen also weiter. Allerdings muss der Druck auf die Schuldner erhöht werden. Diese Leute sollen aussagen, was sie wissen! Priorität hat die schnelle Festnahme des jungen Unbekannten. Ich danke euch!» Damit löste er die Versammlung auf und bat Laura in sein Büro, ehe Tommasini es verhindern konnte.
Er bot Laura Caffè an, doch sie lehnte ab, er rückte einen Stuhl für sie zurecht und ließ sich selbst schwer in den Sessel hinter einem ziemlich bombastischen Schreibtisch fallen. In seinem Büro hing neben dem Bild des Staatspräsidenten auch das Bild des Ministerpräsidenten, außerdem jede Menge Fahnen.
Die feinen Unterschiede, dachte Laura, denn in Guerrinis Büro hing nur der Staatspräsident.
«Wissen Sie tatsächlich nicht mehr von dieser Geschichte, oder wollen Sie nichts sagen?» Lana wirkte sehr überlegen.
«Ich weiß nichts. Ich bin hier, weil Angelo Guerrini schwer verletzt wurde und weil ich eine gute Freundin von ihm bin. Ich bin nicht hier, weil ich irgendwelche geheimen Informationen habe oder ermitteln will.»
«Bene, warum hat Tommasini Sie dann zu dieser Versammlung eingeladen?»
«Vermutlich deshalb, weil ich bereits ein paarmal Ermittlungshilfe geleistet habe, weil ich Angela Piselli kenne, weil er dachte, dass mir etwas einfallen könnte …»
«Und, ist Ihnen etwas eingefallen?»
«Noch nicht, aber wenn mir etwas einfällt, dann werde ich es Ihnen sagen! Und jetzt bin ich müde, weil ich fast die ganze Nacht im Krankenhaus verbracht habe.»
«Verstehe. Wie geht es Guerrini?»
«Besser.»
«Das freut mich.»
Es freut dich nicht, dachte Laura. Wahrscheinlich wäre es dir klammheimlich sogar lieber gewesen, Angelo wäre gestorben. Dann hättest du seinen Job übernommen und eine schöne Grabrede gehalten. So schätze ich dich ein, Vice-Commissario Lana.
In Tommasinis Büro war es kühler, und seinen Caffè nahm Laura dankend an.
«Geht es ihm wirklich besser?»
«Ja, es geht ihm besser. Er ist wieder ziemlich klar im Kopf. Er hat Schmerzen, ab und zu ein bisschen Fieber, und er macht sich inzwischen Vorwürfe, dass er sich hat überrumpeln lassen.»
«Das sollte er nicht, Signora Laura! Ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht rechtzeitig von der anderen Seite gekommen bin. Es ging nur um Sekunden, aber die sind manchmal verdammt zu lang!» Tommasini fuhr mit der Hand über sein Gesicht, als wollte er seine Müdigkeit wegwischen.
«Der Arzt hat gesagt, dass er Angelo morgen wieder auf die Beine stellen will, versuchsweise.»
«Ist das nicht zu früh? Immerhin hat der Commissario im Koma gelegen.»
«In einem künstlichen Koma, das ist etwas anderes als ein echtes Koma. Und er hat sich selbst aus dem künstlichen Koma herausgekämpft. Das hat Dottor Fausto sehr beeindruckt. Angelo allerdings meinte, dass es vor allem an dem fliegenden Hund lag, den er nicht mehr ertragen konnte.»
«Das muss der Hund der Pisellis gewesen sein. Er ist tatsächlich so verrückt geworden, nachdem der Commissario niedergeschossen wurde, dass es aussah, als würde er an diesem Metallkabel herumfliegen … ich hatte das ganz vergessen. Vielleicht hat der Commissario doch mehr mitbekommen, als wir dachten.»
«Sieht so aus. Aber ich denke, wir sollten über das weitere Vorgehen nachdenken. Der Commissario hatte einen gewissen Verdacht, und der hatte etwas mit dieser Oase für reiche Damen zu tun, diesem
Vita divina
. Der Verdacht bezog sich auf Ermittlungen, die ich gerade durchführe. Dabei geht es um einen Gigolo, der in München ermordet wurde. Allerdings hat er vermutlich seine Opfer hier in Siena ausgesucht … oder sie wurden für ihn ausgesucht. Es ist eine ziemlich heikle Angelegenheit, weil die Opfer alle eine exponierte gesellschaftliche Stellung haben und verständlicherweise nicht besonders kooperativ sind.»
Tommasini trank einen Schluck Caffè und ging dann nachdenklich vor dem Fenster seines Büros auf und ab. «Was, Signora Laura, hat diese Geschichte mit den Geldverleihern zu tun?»
«Ich weiß es
Weitere Kostenlose Bücher