Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
alle total im Dunkeln tappen.»
«Ich lüfte das Geheimnis, sobald ich die Bilder habe, Tommasini. Tut mir leid, mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Vielleicht gibt es ja keine Bilder. Alles ist möglich.»
«Mir sind klare Fälle lieber: Eifersüchtiger Ehemann erschlägt seine Frau. Da ist alles klar, man kann begreifen, was passiert ist, und den Fall lösen. Finden Sie nicht, dass alles immer komplizierter wird?»
«Doch.»
«Und?»
«Nichts und. Wir können nichts dagegen tun, oder? Gemessen an der Globalisierung des organisierten Verbrechens, ist das hier immer noch ein ziemlich einfacher Fall. Organisiertes Verbrechen auf provinzieller Ebene sozusagen.»
Tommasini schluckte.
«Das klingt verdammt gut, Commissaria. Das sollten Sie Lana erzählen. Der wäre sicher beeindruckt.»
«Ach Quatsch! Daran ist nichts Beeindruckendes. Es ist schlicht eine Tatsache. Und jetzt geh ich ins Krankenhaus. Ciao!»
«Grüßen Sie den Commissario von mir!»
«Mach ich!»
Trotz der guten Beziehung zu Tommasini fühlte sich Laura fremd in der Questura. Auf dem Weg nach draußen kam sie an Guerrinis Büro vorbei, blieb kurz stehen, versuchte die Türklinke. Das Zimmer war verschlossen.
Draußen im Hof entschloss sie sich dazu, mit Guerrinis Lancia zum Krankenhaus zu fahren. Sie entdeckte ihn schnell, denn die meisten Einsatzfahrzeuge waren noch unterwegs. Zögernd öffnete sie die Fahrertür, fühlte sich auch hier wie ein Eindringling. Es war sein geheiligter Lancia, der so viel hatte über sich ergehen lassen müssen, seit sie Angelo kannte. Jetzt wirkte er wieder ganz unversehrt, sprang auch sofort an. Der Wachposten an der Ausfahrt grüßte und ließ sie ohne Kontrolle passieren. Offensichtlich wussten inzwischen alle Bescheid. Auch gut.
«Noch eine Nacht», dachte Angelo Guerrini. «Eine Nacht auf der Wachstation, dann kommt der nächste Schritt. Einzelzimmer und vielleicht endlich wieder eine Toilette. Selbstbestimmung. Ohne Schläuche und Windeln.» Sterben erschien ihm inzwischen ziemlich einfach, genesen schwieriger. Zwar sah er den fliegenden Hund nicht mehr, wenn er die Augen schloss, aber er dachte an ihn und fragte sich, was er wohl bedeuten sollte. Vielleicht hatte er etwas mit Carlotta zu tun.
Was wohl Zenia gedacht hatte, als sie die Wohnung aufräumte? Weshalb machte er sich Gedanken über Zenia? Sie war seine Haushälterin und hatte die Wohnung in Ordnung zu halten – sonst nichts. Aber Zenia dachte immer etwas, und bei passender Gelegenheit sprach sie ihre Gedanken auch aus.
Immer noch besser als Angela Piselli, dachte er. Die hätte vermutlich versucht, sein Leben in die Hand zu nehmen und seine Fälle zu lösen, wenn er sie als Haushälterin engagiert hätte.
Zenia hatte also aufgeräumt, und Tommasinis Frau hatte sie dazu beauftragt. Wusste Tommasinis Frau etwas von Carlottas Besuch? Oder Tommasini? Er fühlte sich allen so ausgeliefert und hatte keine Ahnung, was eigentlich vor sich ging.
Er wünschte sich, Laura würde zurückkehren, und fürchtete sich gleichzeitig davor. Wo sie wohl hingegangen war? Wahrscheinlich traf sie sich mit seinem Vater, und der konnte sicher den Mund nicht halten. Mit Sicherheit würde er Laura von Carlotta erzählen. Und sie, was würde sie tun?
Guerrini war verschwitzt und erschöpft. Immer wieder flammten die Wundschmerzen auf, stachen in der Brust. Vielleicht war Laura bereits abgereist.
Als sie plötzlich neben seinem Bett stand, hielt er sie für eine Erscheinung, ähnlich dem fliegenden Hund. Aber Hauptsache, sie war da und lächelte, nahm seine Hand, wischte ihm mit einem kühlen Tuch den Schweiß von der Stirn.
«Wo warst du denn so lange?», flüsterte er.
«Bei einer Lagebesprechung im Kommissariat, dann habe ich mit deinem Vater zu Mittag gegessen, mich ein bisschen ausgeruht, und jetzt bin ich hier. Wie fühlst du dich?»
«Taumelig, müde, ich weiß nicht genau, wie.»
«Du hast noch ein bisschen Fieber, da fühlt man sich immer taumelig und müde.»
«Jaja, das sagen alle, der Arzt, die Schwestern, und dann sagen sie immer
bravo
, das kann ich nicht mehr ertragen!» Guerrini empfand sich selbst als wehleidig, aber er konnte es nicht ändern.
«Ich werde es ihnen sagen.»
«Habt ihr den Kerl gefunden, der auf mich geschossen hat?»
«Nein, bisher gibt es noch keine Spur von ihm.»
«Das ist doch nicht möglich! Er fuhr einen dieser riesigen Geländewagen, ja, ich bin sicher, dass es ein schwarzer Geländewagen war. Warum fahren
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