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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Fitnessprogramm hatte sie diesen vierten Stock immer genannt. Rauf und runter, rauf, runter. Tausendmal, vermutlich mehrere tausend Male.
    Nicht sentimental werden, murmelte Laura auf Stufe achtundsiebzig. Ich mache mir jetzt einen Kamillentee, setze mich in meine Küche oder auf das Sofa im Wohnzimmer und warte darauf, dass ich müde werde.
    Jetzt stand sie vor ihrer Wohnungstür und fand es irgendwie beruhigend, dass die Özmers noch immer ihre direkten Nachbarn waren, obwohl die meisten Kinder dieser türkischen Familie ebenfalls davongezogen waren. Die Özmers und Laura hatten viel miteinander durchgestanden. Türkische Tragödien. Jetzt war es ruhiger, und auch die jüngste Tochter würde vermutlich demnächst heiraten.
    Leise öffnete Laura ihre Wohnungstür, schloss sie ebenso lautlos, schlüpfte aus ihren Schuhen und schlich durch den langen Flur zur Küche. Die Dielen knarrten, auch das hatten sie immer schon getan, seit über zwanzig Jahren. Man musste schweben in dieser Wohnung, um nicht gehört zu werden.
    Der Anrufbeantworter blinkte. Nein, sie wollte ihn jetzt nicht abhören. In der Küche roch es noch immer nach gebratenem Hühnchen und Knoblauch. Laura füllte Wasser in den Schnellkocher, hängte einen Beutel mit Kamillentee in eine große Tasse, lauschte der Stille in ihrer Wohnung nach, fragte sich, ob Luca mit seiner Schwester gesprochen hatte, fühlte sich plötzlich unruhig. Auf Zehenspitzen lief sie zum Zimmer ihrer Tochter und öffnete leise die Tür.
    Sofias Bett war leer.
    Laura lehnte sich gegen den Türrahmen und versuchte gegen die aufsteigende Furcht anzudenken. Falls Sofia die Wohnung verlassen hatte, musste es zu einer Zeit gewesen sein, da Luca bereits eingeschlafen war. Schlief Luca überhaupt? Sie schlich zu seiner Tür. Er lag auf dem Rücken und schnarchte leise, drehte sich mit einem Ruck zur Seite, als der Lichtstrahl kurz über sein Gesicht wanderte.
    Laura kehrte in die Küche zurück, goss ihren Tee auf, versuchte zu denken. Wohin konnte Sofia gegangen sein? Laura lief ins Wohnzimmer. Das große Sofa war leer. Sie blieb im Flur stehen, wusste es plötzlich, rannte beinahe zu ihrem eigenen Schlafzimmer und drückte behutsam die Tür auf, die ohnehin nur angelehnt war. Sofia lag quer in Lauras breitem Bett, völlig verwickelt in Über- und Unterdecke, das Kopfkissen mit beiden Armen gegen die Brust gepresst.
    Eine Welle von Zärtlichkeit und Erleichterung erfasste Laura, so heftig, dass sie sich an der Tür festhalten musste.
    Nicht weinen, dachte sie. Nicht! Sofia wird aufwachen, und ich will nicht, dass sie mich in Tränen sieht! Wir wollen unser Frauending nicht mit Tränen anfangen. Könnte sonst so was wie ein Muster werden! Bloß nicht!
    Sie zog die Tür wieder zu und ging langsam in die Küche, nahm den Teebeutel aus der Tasse, drückte ihn leicht aus, warf ihn in den Komposteimer, schlürfte. Wartete.
    Sofia kam nicht.
    Laura dachte an Angelo Guerrini. Seltsam, wenn sie länger von ihm getrennt war, erschien ihr diese Liebe immer wieder unwirklich. Wie etwas, das außerhalb ihres realen Lebens existierte oder überhaupt nicht. Traumleben. Angelo würde möglicherweise mit einem Wutanfall auf solche Gedanken reagieren. Mit Recht. Vielleicht war es gut, dass Luca auszog. Es machte sie etwas freier. Aber da war noch das Frauending, das sie durchziehen musste.
    Schluck für Schluck trank sie ihren Tee. Sie wurde langsam müde und fühlte eine wohlige Gleichgültigkeit in sich aufsteigen. Endlich raffte sie sich auf, putzte die Zähne, zog ihren Schlafanzug an und überlegte, ob sie auf der Wohnzimmercouch schlafen sollte. Aber dann fand sie, dass es Sofia gegenüber nicht fair wäre. Sofia war schließlich in Lauras Bett gekrochen, um Schutz zu suchen. Und so schob Laura ihre Tochter vorsichtig auf eine Seite ihres Bettes, eroberte einen Teil der Decke für sich selbst und streckte sich endlich neben Sofia aus.
    Eine Hand tastete nach ihr.
    «Mama? Bist du da, Mama?»
    «Ja, Sofi, ich bin da.»
    Sofia seufzte im Halbschlaf, rollte sich zusammen und kuschelte sich eng an Lauras Körper. Genau wie vor vielen Jahren, wenn sie schlechte Träume hatte oder überhaupt nicht allein schlafen konnte. Laura schlang die Arme um ihre Tochter und drückte sie fest an sich.
    Ich wünschte, ich könnte dich vor all diesen traurigen Erfahrungen bewahren, dachte sie. Vor den Trennungen, den Schmerzen, dem Gefühl, nicht geliebt zu werden. Es fängt ja gerade erst an, Sofi, du hast ja noch

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