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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Donatella. Nicht auffallen! Sie lächelte der jungen Frau zu, die lächelte zurück, doch ihr Blick erschien Donatella zu aufmerksam. Betont langsam ging sie zum Fahrstuhl, ohne sich noch einmal umzudrehen. Es war eine Qual, auf die Ankunft des Lifts zu warten und langsam nach oben zu fahren, statt den Umschlag sofort aufzureißen. Warten, immerzu warten. Sie war ein ungeduldiger Mensch! Warten machte sie regelrecht krank!
    Im Spiegel des Fahrstuhls sah sie ihr Bild und erschrak vor sich selbst. Gehetzt, blass, eingefallen sah sie aus, hatte dunkle Schatten unter den Augen. Sie fragte sich, ob die Commissaria sie ebenso erlebt hatte oder ob im Präsidium noch ihre Selbstdisziplin gewirkt hatte. Donatella verfügte über die Fähigkeit, sich innerhalb von Sekunden in eine strahlende Frau zu verwandeln. Ihre Bekannten beneideten sie um diese Gabe. Doch es kostete Kraft, und die hatte sie jetzt nicht mehr.
    Da war endlich der zweite Stock. Die Liftkabine ruckelte, bis sie ihre Ruheposition gefunden hatte, geradezu in Zeitlupe. Donatella war kurz davor, zu schreien, stieß heftig die Außentür auf, zwang sich aber dazu, langsam über den weichen Teppich zu ihrem Zimmer zu gehen, obwohl sie am liebsten gerannt wäre.
    Ehe sie die Chipkarte einsteckte, sah sie sich um. Der lange Flur war leer, aus einem der anderen Zimmer klangen gedämpfte Stimmen, die sich plötzlich steigerten. Jetzt schrie eine Frau um Hilfe.
    Ein Fernsehfilm, dachte Donatella, trotzdem stolperte ihr Herzschlag. Endlich schloss sie die Zimmertür hinter sich, warf ihre Tasche aufs Bett, kontrollierte Badezimmer und Kleiderschrank. Erst als sie sicher war, dass niemand ihr auflauerte, legte sie den Sicherheitsriegel vor, knipste die Stehlampe in der Sitzecke an und riss den Umschlag auf. Ehe sie zu lesen begann, schloss sie kurz die Augen und atmete ein paarmal tief ein und aus, entfaltete dann das Blatt Papier, weißes, ganz normales Kopierpapier, und begann zu lesen.
    An Ihrer Stelle, verehrte Signora, würde ich nicht zur Polizei gehen. Es könnte ziemlich unangenehme Folgen nach sich ziehen, und die würden Sie doch sicher gern vermeiden. Ich schlage deshalb vor, dass wir die Übergabe Ihrer Spende verschieben. Sie werden in Kürze neue Anweisungen erhalten. Kehren Sie in aller Ruhe nach Mailand zurück. Es wird sich alles finden.
    Aufstöhnend ließ sie sich rücklings aufs Bett fallen. Minutenlang lag sie reglos, und ihr wurde bewusst, dass ihre Haut schmerzte, dass ihre Zunge sich geschwollen anfühlte und sie kaum schlucken konnte. Außerdem war ihr übel. Dann hörte sie die Stille um sich herum.
    Selbst der Fernsehton aus dem anderen Zimmer war verstummt. Donatella begann an der Nagelhaut ihres Zeigefingers zu kauen. Das hatte sie als kleines Mädchen gemacht, wenn sie Angst hatte oder angespannt war. Auch nach schlimmen Träumen, allein in der Dunkelheit. Selten war jemand da gewesen, der sie getröstet hatte. Manchmal hatte sie nur die Nagelhaut ihres Zeigefingers blutig gebissen. Manchmal die aller Finger.
    Mit einer heftigen Bewegung fegte sie diese Erinnerungen weg, samt Tasche und Mantel, die neben ihr auf dem Bett lagen. Langsam stand sie auf, nahm den Whisky aus der Minibar, öffnete den Schraubverschluss und trank gleich aus der Flasche, hustete, würgte, lief ins Bad und spülte sich den Mund aus. Wie eine Verdurstende trank sie Wasser aus der hohlen Hand, vermied den Blick in den Spiegel.
    Halblaut wiederholte sie die Gestaltung der Nacht: warmes Bad, Whisky, Fernsehen. Sie öffnete den Wasserhahn der Badewanne, betrachtete ein paar Minuten lang den kräftigen Strahl, kehrte ins Schlafzimmer zurück und hob den Telefonhörer ab, legte wieder auf.
    Ich muss ganz ruhig bleiben, dachte sie, während sie in ihrer Handtasche nach Laura Gottbergs Visitenkarte suchte. War es klüger, das Hoteltelefon zu benutzen oder ihr eigenes Handy? Sie wusste es nicht. Es machte sie krank, dass sie es nicht wissen konnte. Vermutlich war eins so unsicher wie das andere. Was wollte sie der Commissaria überhaupt sagen? Dass es morgen keine fingierte Geldübergabe geben würde? Dass sie am besten alles vergessen sollte, was sie an diesem Abend erzählt hatte?
    Nein, es war völlig schwachsinnig, jetzt anzurufen. Morgen, morgen würde sie das machen. Genau wie verabredet. Das war am sichersten. Und jetzt würde sie Benjamin anrufen. Das war auch wichtig. Wichtiger als die Commissaria.
    Donatella lief zurück ins Badezimmer und schaffte es gerade noch,

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