Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
möglicherweise auch K.-o.-Tropfen … und schnitt sich die Pulsadern auf.» Baumann warf Laura einen prüfenden Blick zu. «Kein ganz so sanfter Tod wie eine Injektion mit Kaliumchlorid, aber auch ziemlich sanft», fügte er hinzu.
«Nur für diejenigen nicht, die sie gefunden haben», erwiderte Laura.
Peter Baumann strich mit den gespreizten Fingern beider Hände über seine Stirn und sein Haar. «Das war nur einer, nämlich ich. Der Hotelmanager hat nicht mal einen halben Blick riskiert, nachdem er das Zimmer höchstpersönlich geöffnet hatte. Die Spurensicherung musste wieder durch den Lieferanteneingang und über den Lastenaufzug eingeschleust werden … diesmal allerdings ohne kleine Erfrischungen und Snacks.»
«Und du?»
«Ach, weißt du … es war der 250. Augenblick, in dem ich mich gefragt habe, warum ich diesen Beruf ergriffen habe. Du weißt genau, dass ich Leichen nicht besonders gut vertrage … mir sind die Menschen lebendig lieber. Ich fand sie nett. Völlig schwachsinnig, dass sie sich wegen eines Blenders wie Sutton umgebracht hat.»
«Ist Fremdeinwirkung ausgeschlossen?»
«Keine Ahnung. Warten wir auf die Untersuchungsergebnisse.»
«Könnte doch sein, dass Monica Sutton etwas wusste, das eine Gefahr für den Mörder ihres Mannes darstellt. Ich meine, falls man bei ihr auch K.-o.-Tropfen nachweisen kann. Könnte doch sein, dass sie gezwungen wurde, den Abschiedsbrief zu schreiben.»
Peter Baumann zuckte die Achseln. «Bisher sieht es nicht so aus. Allerdings haben wir in Suttons Zimmer auch nichts gefunden, was uns weiterbringt. Wär eine schöne Entlastung für uns, nicht wahr?»
«Was?»
«Na, wenn jemand sie umgebracht hätte. Dann müssten wir uns keine Gedanken darüber machen, dass wir die Selbstmordgefahr nicht erkannt haben.»
«Nein, dann müssten wir uns Gedanken darüber machen, warum wir die Gefahr von außen nicht erkannt haben.»
Baumann lachte trocken. «Wir haben also in jedem Fall Scheiße gebaut, oder?»
«Könnte man so sagen.» Nachdenklich schaute Laura sich im Zimmer um. «Es sieht aus, als hätte sie dieses Zimmer gar nicht bezogen.»
Baumann stieß eine Art Schnauben aus. «Sie scheint eine sehr ordentliche Person gewesen zu sein. Hatte ihren Koffer gepackt und nichts herumliegen lassen. Eigentlich kann ich Leute nicht ertragen, die sich selbst wegräumen.»
Vorsichtig näherte sich Laura der Badezimmertür, die nur einen Spaltbreit geöffnet war, schob sie ein paar Zentimeter weiter auf schaute kurz hinein und schnell wieder weg. Monica Suttons Kopf war seitlich auf den Wannenrand gesunken, das rote Wasser bedeckte ihren Körper fast bis zum Halsansatz.
«Sie hat sich ja gar nicht weggeräumt», murmelte Laura. «Lass uns gehen.»
Sie nahmen die Treppe, schweigend. Sagten an der Rezeption Bescheid, dass man die Kollegen jetzt hinaufschicken könne, zwecks Beseitigung der Leiche. Laura dachte kurz an den nächsten Gast, der ahnungslos diese Wanne benutzen würde.
«Treffen wir uns im Präsidium?», fragte sie, ehe sie sich vor dem Hoteleingang trennten.
«Nein, ich fahre jetzt nach Hause.»
«Wegen der Überstunden?»
«Weil mir schlecht ist. Ciao.» Baumann hob grüßend die Hand und ging zu seinem Wagen, der kurz vor dem Nationaltheater halb auf dem Bürgersteig parkte. Laura schlug die entgegengesetzte Richtung ein, ließ aber den Wagen stehen und lief weiter. Sie brauchte dringend frische Luft und Bewegung – ihr bewährtes Gegenmittel bei Gefühlserschütterungen jeder Art.
Die Nacht war kalt und windig. Laura schlug den Kragen ihrer Lammfelljacke hoch und machte sich auf den Weg in Richtung Isar. Nur wenige Menschen waren unterwegs, kaum einer beachtete die Auslagen der Luxusgeschäfte in der Maximilianstraße. Die meisten gingen schnell, um der Kälte zu entkommen. Laura überquerte den Altstadtring, dachte an die zerknickte rote Rose, die Monica Sutton weggeworfen und nicht auf der Brust ihres toten Mannes zurückgelassen hatte. Vielleicht hat sie es nicht ertragen, dass ihr walisischer Traum zerstört wurde, dachte Laura. Der Pilcher-Traum.
Schade, dass wir kein Tagebuch von Sir Benjamin gefunden haben. Seine Gedanken würden mich sehr interessieren. Ich wüsste gern, wie jemand denkt, der die Gefühle anderer so skrupellos missbraucht, der mit Sicherheit regelrecht strategisch vorgeht. Erster Schritt: Aussuchen des Opfers … oder Zielobjekts, vielleicht traf dieser Ausdruck es besser.
Aber vielleicht suchte er seine Zielobjekte
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