Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
auch.»
«Dann bis später.»
«Ja, bis später.»
Laura legte das Telefon weg und fühlte sich elend. Auch ein bisschen schuldig. Ihr Herz schlug zu schnell. Hatte sie Suttons Affären erwähnt? Nein, jetzt erinnerte sie sich genau. Sie hatten Monica nur von den beiden Pässen erzählt. Vielleicht hatte Peter Baumann mit ihr gesprochen, und sie reagierte deshalb so heftig auf die weiße Rose, die Donatella dem Toten auf die Brust gelegt hatte.
Halb acht. Laura wollte nicht fort, nicht heute Abend! Sie wollte auch die tote Monica Sutton nicht sehen. Mit einem tiefen Seufzer wandte sie sich an ihre Kinder.
«Ich muss leider nachher nochmal weg. Ihr habt es ja gehört. Aber wir können wenigstens noch in Ruhe essen.» Sie legte ein kleines Stück Apfelstrudel auf ihren Teller und streute ein bisschen Zimtzucker darüber, erst dann bemerkte sie, dass sie keinen Appetit mehr hatte.
«Ich frage mich, warum Leichen immer am Abend gefunden werden. Seit ich mich erinnern kann, musstest du immer am Abend oder mitten in der Nacht weg, weil sich irgendein Idiot hat umbringen lassen!» Luca sprach laut.
«Ermordete werden auch am Tag gefunden, Luca. Es ist nur dein persönlicher Eindruck, weil ich ziemlich oft abends wegmuss. Ich kann es nicht ändern. Es ist der Teil meines Berufs, den ich selbst nicht besonders mag. Wir haben schon oft darüber gesprochen.»
«Wenn ihr jetzt anfangt zu streiten, dann geh ich raus!» Sofias Augen füllten sich mit Tränen, die sie wegzublinzeln versuchte.
«Wir streiten nicht, Sofi. Es ist nur … ich hab wirklich keine Lust, heute Abend wegzufahren und mir eine Tote anzusehen. Aber es ist eine verdammt ernste Angelegenheit und hängt mit einem anderen Fall zusammen, der bisher ziemlich unklar ist.»
«Ich will das gar nicht wissen. Reden wir über was anderes!» Luca ballte eine Hand zur Faust.
«Okay. Mach einen Vorschlag.»
«Ich war heute Nachmittag bei Großvater», sagte Luca. «Es war schön. Er hat sich total gefreut. Ich werd jetzt öfter zu ihm fahren. Ich hab ihn nach dem Krieg gefragt, und er hat mir ganz lang erzählt», sagte Laura.
«Wirklich? Er redet nämlich nicht gern über den Krieg. Jedenfalls hat er mir nie besonders viel erzählt», sagte Laura.
«Er hat gesagt, dass wir Jungen unbedingt wissen müssen, was Krieg für ein Mist ist, weil wir sonst vielleicht wieder Lust darauf bekommen könnten.»
«Hat er das gesagt?»
«Natürlich. Meinst du, ich erfinde das?»
«Nein.»
«Er hat lauter Sachen gesagt, die ganz wichtig sind. Die Hälfte hab ich schon wieder vergessen. Ich glaub, nächstes Mal nehm ich ein Aufnahmegerät mit.»
«Ich komm auch mit», fiel Sofia ein und fügte leise hinzu: «Ich hab Angst, dass Großvater stirbt.»
«Wieso denn das, Sofi? Er ist ziemlich gesund, es geht ihm gut.»
«Aber deine Mutter ist auch ganz plötzlich gestorben. Ich erinnere mich genau daran. Ich hab Großmama so lieb gehabt. Manchmal bin ich immer noch traurig, dass sie nicht mehr da ist. Sie hat mit mir gesungen. Italienische Lieder. Ich kann sie alle noch.» Jetzt liefen Tränen über Sofias Wangen.
«Ich bin auch immer noch sehr traurig, Sofia.» Laura streckte die Hand nach ihrer Tochter aus. Ich kann jetzt nicht weg, dachte sie. Nicht gerade jetzt. Als sie zu Luca hinübersah, begann er ganz leise zu lächeln, und Laura lächelte zurück. Den Apfelstrudel hatten sie alle drei noch nicht angerührt.
«Es ist so wie immer», sagte Luca nach einer Weile. «Wir reden immer dann über was Wichtiges, wenn du wegmusst.»
«Vielleicht hängt das eine mit dem anderen zusammen», erwiderte Laura. Dann fragte Luca doch nach der Toten dieses Abends, und Laura erzählte ein bisschen. Irgendwann begannen sie sogar zu essen, doch Laura dachte plötzlich, dass es vielleicht wirklich besser wäre, wenn Luca und Sofia mehr Zeit bei Ronald verbringen würden. Ohne Leichen.
Das Essen im
La Torre
war nicht schlecht, aber Guerrini hatte keinen Appetit und ließ die Hälfte seines Wildschweinragouts stehen. Dafür trank er etwas mehr als gewöhnlich, obwohl er auf der Hut sein musste und sich dessen durchaus bewusst war.
Auch Carlotta aß wenig, ein paar Cannelloni mit Gemüsefüllung und ein bisschen Salat.
Immer wieder erzählte sie Begebenheiten aus ihrer Ehe, komische zumeist, und dann lachte sie herzlich. Guerrini lachte ein bisschen mit, sehr verhalten und wachsam. Ihre Vertraulichkeiten gingen ihm mehr und mehr auf die Nerven.
Als sie nach dem Essen noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher