Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
Commissario!» Tommasini seufzte, zuckte aber kaum merklich zusammen, als in diesem Augenblick D’Annunzio das Zimmer betrat. «Wir haben zusammen gesucht», fügte er schnell hinzu. «D’Annunzio und ich.»
Der junge Polizist nickte und lächelte schüchtern. «Es ist nicht ganz leicht. Man muss ganz viele Informationen eingeben, alles, was einem so einfällt zu einer Person.»
«Ah», erwiderte Guerrini. «Und was ist dir alles eingefallen? Du kanntest den Typen doch gar nicht.»
«Es gibt da bestimmte Kriterien, Commissario. Auf dem letzten Lehrgang hab ich die mitbekommen. Und es hat funktioniert.»
«Bravo! Warst du auch auf diesem Lehrgang?» Fragend sah Guerrini seinen Kollegen an, doch der schüttelte den Kopf. «Ich mach das nach Instinkt», antwortete er leise und warf einen unsicheren Blick auf D’Annunzio. Der stand da und lächelte noch immer.
«Na gut, Hauptsache, ihr habt ihn gefunden. Ich werde ein bisschen herumtelefonieren, vielleicht weiß einer meiner Kollegen im Süden ja mehr über ihn. Was habt ihr inzwischen herausgefunden?»
«Nicht viel, Commissario. Die halten alle dicht und reden nicht darüber, wenn sie sich Geld von diesen Mistkerlen leihen. Es bedeutet, dass man am Ende ist, und wer will das schon zugeben.» Tommasini seufzte. «Deshalb haben wir uns gedacht, dass durchaus so ein Schuldner den Stretto umgebracht haben könnte. Und er hat es auf eine Art getan, die nach einem Mafiamord aussieht. Als Tarnung. Diese Sachen kann ja inzwischen jeder im Fernsehen lernen oder aus bestimmten Büchern. Wenn einer auf diese Weise umgebracht wird, dann bedeutet es noch lange nicht, dass es die Mafia war. So ist das!»
D’Annunzio nickte heftig zu Tommasinis Worten, während Guerrini, nachdem er stirnrunzelnd den Bildschirm betrachtet hatte, leise den Kopf schüttelte.
«Ein Teil eurer Überlegung ist ganz richtig», erwiderte er langsam. «Aber er entspringt sicher auch unser aller Wunschdenken. Es muss tatsächlich kein Mafiamord sein, aber es kann einer sein. Deshalb müssen wir unbedingt rausfinden, ob hier außer diesem Stretto noch andere Geldverleiher aktiv sind oder waren. Und jetzt fragt mich nicht, wie!»
Guerrini kehrte in sein Büro zurück, nickte grimmig dem Porträt des Staatspräsidenten zu, den er wirklich schätzte, und ließ sich schwer in seinen Sessel fallen. Langsam nahm er den Telefonhörer ab, wollte eigentlich Laura anrufen, wählte aber doch lieber die Nummer von Isabella di Tremonti und dachte: Feigling!
Isabella war ganz begeistert, weil sie genau an diesem Morgen Nachricht von
Vita divina
bekommen hatte.
«Sie haben mich akzeptiert, Angelo! Ich kann schon nächste Woche kommen, weil um diese Jahreszeit noch zwei Suiten frei sind. Man wohnt dort nur in Suiten, nicht einfach in Zimmern. Im Moment ist es günstig, 500 Euro pro Tag inklusive Verpflegung, einer Therapiesitzung und einer Massage. Alle anderen Anwendungen, Botox zum Beispiel, werden extra berechnet. Kannst du dir das leisten, Angelo?» Ihr fröhliches heiseres Lachen klang ausgesprochen schadenfroh.
«Nein!», knurrte Guerrini. «Und der italienische Staat kann es sich auch nicht leisten. Ich wollte ja nur, dass du ein paar Einzelheiten herausfindest.»
«Na, außer Preisen hab ich noch nichts herausgefunden. Dass sie mich akzeptiert haben, ist doch eine einmalige Chance, sich ein bisschen umzusehen in diesem göttlichen Leben, oder? Ich habe fünf Tage gebucht und ihnen mitgeteilt, dass ich länger bleiben werde, wenn es mir gefällt.»
«Und wer soll das bezahlen?»
«Na, ich natürlich! Wie du weißt, bin ich nicht gerade knapp bei Kasse – dank des fleißigen Ausbeutertums meiner Vorfahren und der Großzügigkeit meines Exgatten.»
«Ich werde dich für einen dieser vielen Orden vorschlagen», grinste Guerrini. «Wann fängst du an?»
«Heute ist Freitag, am Montag werde ich einrücken!»
«Ich werde dir noch Verhaltsregeln mit auf den Weg geben, Isabella. Aber eines sage ich dir schon jetzt: Keine eigenwilligen Ermittlungen, wie es sie im Fernsehen oder in Krimis gibt! Kein Risiko! Klar? Es könnte sich hier um eine gefährliche Organisation handeln. Du spielst einfach die anspruchsvolle Dame, beobachtest und hörst zu! Mehr nicht!»
«Das ist ja langweilig!»
«Nein, ich glaube nicht. Ich bin sicher, dass du dich gut unterhalten wirst.»
«Wenn nicht, dann gnade dir Gott, Angelo!»
Nach dem Gespräch mit Isabella holte Guerrini sich einen Cappuccino aus dem Automaten,
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