Nachtgefluester 01 - Der gefaehrliche Verehrer
Nahe genug, um sie zu berühren. Hatte er ein Messer? Dieses Messer mit der langen Klinge, das er ihr so hingebungsvoll beschrieben hatte? Wartete er auf den Moment, in dem die Musik laut war und das Gelächter einen Höhepunkt erreichte, um es ihr in den Leib zu stoßen?
»Komm schon!«
»Warte einen Moment.« Die Fingernägel in die Handflächen gepresst, beugte sie sich über das Mikro. »Wir machen eine kleine Pause, aber kühlt nicht ab. In zehn Minuten bin ich wieder hier, und dann rocken wir weiter.« Mechanisch schaltete sie ihre Geräte ab. »Bleib dicht bei mir«, flüsterte sie.
Einen Arm fest um ihre Taille geschlungen, führte Boyd sie durch die Menge. Jedes Mal, wenn sie gegen jemanden stießen, erschauerte sie. Als ein Mann sich zwischen den Leuten durchdrängte und ihre Hände ergriff, hätte sie beinahe aufgeschrien.
»Cilla O’Roarke.« Er hatte ein freundliches, nettes Gesicht, erhitzt und schweißbedeckt von einer Runde auf der Tanzfläche. Er strahlte, während Cilla starr wie eine Statue stand und Boyd sich neben ihr spannte. »Tom Collins. Nicht der Drink«, sagte er, noch immer strahlend. »Das ist mein Name. Ich bin der Vorsitzende des Komitees. Erinnern Sie sich?«
»Oh.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ja, sicher.«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, wie begeistert wir sind, Sie bei uns zu haben. Sie haben hier eine Menge Fans.« Er ließ eine ihrer Hände los, um mit seinem Arm einen Bogen zu beschreiben. »Ich bin so ziemlich Ihr größter. Es vergeht kaum eine Nacht, in der ich nicht wenigstens einen Teil Ihrer Sendung höre. Ich habe letztes Jahr meine Frau verloren.«
»Das …« Sie räusperte sich. »Das tut mir leid.«
»Nein, ich meine, ich habe sie richtig verloren. Kam eines Abends heim, und sie und die Möbel waren weg. Ich habe sie nie gefunden – oder das Schlafsofa.« Er lachte herzlich, während Cilla nach etwas suchte, das sie sagen konnte. »Tatsache ist, dass Ihre Show mir durch etliche ziemlich einsame Nächte geholfen hat. Ich wollte Ihnen nur danken und Ihnen sagen, dass Sie heute Abend hier einen verdammt guten Job machen.« Er drückte ihr eine Geschäftskarte in die Hand. »Ich handele mit Haushaltsgeräten. Sie rufen mich einfach an, wenn Sie einen neuen Kühlschrank brauchen.« Er zwinkerte ihr zu. »Ich mache Ihnen einen guten Preis.«
»Danke.« Es sollte lustig sein, dachte sie. Später würde es lustig sein. »Nett, Sie zu sehen, Tom.«
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits.« Er sah ihr nach und strahlte erneut.
Boyd steuerte sie aus dem Ballsaal und zur nächsten Telefonzelle. »Bleib bei mir, okay?«
Sie nickte und schaffte sogar ein Lächeln in Richtung einer Gruppe Frauen, die zur Damentoilette gingen. »Es geht mir schon etwas besser. Ich setze mich einen Moment da drüben hin.« Sie deutete auf eine Gruppe von Stühlen und Topfpflanzen.
Sie ging hinüber und fiel erschöpft auf einen Stuhl. Es war ein Albtraum. Bebend holte sie eine Zigarette hervor. Sie beobachtete die Leute, die im Saal ein und aus gingen. Jeder von ihnen kann es sein, dachte sie und bemühte sich, ein bekanntes Gesicht zu identifizieren. Würde sie ihn erkennen, wenn sie ihn sah, oder war er ein völlig Fremder?
Sie sah zu, wie Boyd den Hörer aufhängte und zu ihr kam. »Und?«
»Thea kommt vorbei und holt den Zettel. Wir schicken ihn ins Labor.« Er massierte die verkrampften Muskeln an ihrem Hals. »Ich glaube nicht, dass wir Fingerabdrücke finden werden.«
»Nein.« Sie schätzte es, dass er ihr keine falschen Hoffnungen machte. »Glaubst du, er ist noch hier?«
»Ich weiß es nicht. Es ist ein großes Hotel, und für diese Veranstaltung gibt es keine Sicherheitsmaßnahmen, Cilla. Sinnlos, die Leute zu befragen. Wenn du früher aufhören willst, kann ich sagen, du wärst krank geworden.«
»Nein, das möchte ich nicht.« Sie nahm einen letzten langen Zug von ihrer Zigarette. »Die einzige Befriedigung für mich ist, nicht zusammenzubrechen. Besonders, wenn er noch irgendwo sein sollte.«
»In Ordnung. Denk während der nächsten Stunde daran, dass ich nie weiter als einen halben Meter entfernt sein werde.«
Sie legte ihre Hand in seine, als sie aufstand. »Boyd, er hat seine Methode geändert, indem er eine Nachricht geschrieben hat. Was meinst du, hat das zu bedeuten?«
»Es könnte eine ganze Menge bedeuten.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel war es die bequemste Art, heute Abend mit dir Kontakt aufzunehmen. Oder er wird allmählich
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