Nachtgesang
die Kinder zu schnappen und sie in Sicherheit zu bringen – all dies innerhalb kürzester Zeit und nichts davon ergab für irgendjemanden besonders viel Sinn, außer für Zek, die einfach keine Zeit für Erklärungen hatte.
In dem Chaos aus schrillenden Alarmsirenen und verwirrtem, schläfrigem Personal, das wild durcheinander rannte, und ängstlichen Kindern, die aufgewacht waren und in ihren Zimmern weinten, war Zek für alles verantwortlich. Sie musste den Weg in den Keller finden, den Schalter umlegen und an der offenen Luke darauf warten, dass der Techniker durchkam – und hoffen, dass es nur der Techniker war – bevor sie die Luke schloss und so die Verbindung herstellte, die den Schacht und alles, was er enthielt, sprengte und zur Hölle fahren ließ.
Aber wenn es nicht der Neuseeländer war, der durchkam, was dann? Mein Gott! Was für ein Albtraum!
Jetzt verzeiht ihr mir vielleicht, dass ich versucht habe, all dies zu vergessen, all die Panik und die Schweißausbrüche, als Zek, meine Zek, in den Keller rannte, in den jetzt stillen Maschinenraum, die Wendeltreppe hinunter in das Herz des Waisenhauses, zum bewehrten Betonboden, dessen Unterseite die von Menschen gemachte Decke der natürlichen Höhle des Wiederaustritts war. Unter normalen Umständen hätte der Boden durch den Druck des Wassers erzittern müssen, aber es kamen nur noch vereinzelte Tropfen heraus und es vibrierte nicht mehr.
Dort, in dem kellerartigen Gebäude, das nun irgendwie leicht bedrohlich wirkte, ragte ein Paar zylindrischer Säulen kniehoch aus dem Boden heraus. Eine der beiden stählernen Luken, die sich oben auf den Säulen befanden, war aufgeklappt worden und ruhte auf stabilen Scharnieren. Sie erlaubte einen Blick auf einen dunklen Schlund, der noch bedrohlicher aussah. Zek schaute sich um und sah eine Nische in der Wand und ein Regal, auf dem ein Haustelefon stand. Sie glaubte zu wissen, was sie tun musste.
Zuerst war da die Luke: Sie musste sie schließen, und zwar sofort. Wenn Trennier auf dem Weg nach draußen war ... würde er durch die Hölle gehen, wenn er sah, dass die Luke geschlossen war. Aber es gab keine Alternative und schließlich handelte es sich nur um eine vorübergehende Lösung. Zek versuchte, nicht an die missliche Lage des Neuseeländers zu denken, verschwendete keine Zeit und schloss die Luke und rannte dann zum offenen Ende der Höhle, wo sie auf Betonstufen zum uralten Bett der Wiederaustrittsstelle gelangte.
Von dort kletterte sie die rostigen Eisensprossen hinauf zu einem Ort hoch oben an der Wand der Höhle, wo eine tiefe Felsspalte den wasserfesten Hebel des Auslösers beherbergte. Er war fest – wahrscheinlich etwas rostig –, aber es gelang ihr, ihn zu bewegen und dann schnell wieder hinunter in den leeren, hallenden Keller zu laufen.
Zek fühlte sich schwach auf den Beinen: Die Mischung aus Angst und hektischer physischer Aktivität hatte sie fast gänzlich erschöpft, aber schließlich war alles vorbereitet. Jetzt sollte Trennier schon gegen die geschlossene Luke hämmern ... tat er aber nicht. Wenn er nun bereits den Hebel umgelegt hatte, blieben ihm nur acht bis zehn Minuten, um da rauszukommen.
Zek besaß eine Automatikpistole. Seit sie auf Zakynthos angegriffen worden war, hatte sie sich angewöhnt, immer eine dabei zu haben; ich denke nicht, dass ich erwähnen muss, welche Art Munition sie benutzte. Jetzt, da sie ihre Waffe lud, steckte sie sie in ihren Hosenbund und nahm das verstaubte Telefon vom Regal in der Wandnische. Da es lange nicht benutzt worden war, war die Batterie so gut wie tot, aber die Wählscheibe drehte sich ohne Weiteres. Sekunden später hatte sie Trennier am Apparat.
Der Neuseeländer war immer noch aufgelöst – sogar viel mehr als vorher – und hatte nicht das getan, was Zek von ihm verlangt hatte. Oh, er hatte den Hebel an seinem versteckten Ort gefunden, aber ihn nicht umgelegt. Trennier war kein dummer Mensch. Der Techniker hatte einen Blick auf den Hebel geworfen und gewusst, dass der Schacht sich selbst zerstören würde. Da er Zek kannte, war er sich allerdings ziemlich sicher, dass das nicht passieren würde, solange er dort drin war, aber er wollte nichts dem Zufall überlassen. Mit erstickter Stimme erkundigte er sich, was los war und was es war, das ihm da unten schweigend, aber wachsam Gesellschaft leistete? Etwas beobachtete ihn, dessen war er sich sicher.
Sie konnte es ihm nicht sagen, konnte ihm nur noch einmal befehlen, den Hebel umzulegen
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