Nachtgesang
Lage, den Prozess anzuhalten. Die Uhr tickte und nichts konnte sie stoppen. Der einzige Weg, es zu verlangsamen, wäre, eine der Luken zu öffnen, eine vorübergehende Maßnahme und definitiv die gefährlichste von allen.
Der Keller war von einem halben Dutzend nackter Glühbirnen, die von der Decke hingen, erleuchtet. Da diese von einem kleinen Notgenerator betrieben wurden, war das Licht weniger als verlässlich. Während allem, was Zek getan hatte, flackerte ein schwaches Licht, und sie hörte die ganze Zeit die Alarmsirenen aus dem Waisenhaus, das gedämpfte Surren, das durch die Betonböden und die Stahltreppen zu ihr hinuntergetragen wurde. Doch auf irgendeine Art war das Geräusch beruhigend und selbst die flackernden Lichter hatten sie an die relativ vernünftige Welt dort oben erinnert.
Jetzt schien es, als ob jemand die Absicht hege, ihr sogar diesen kleinen Trost zu nehmen. Denn plötzlich setzte der Alarm aus und zur selben Zeit brannten die Lampen schwächer, blieben für einen Moment so und gingen dann ganz aus. Jemand dort oben musste in dem Durcheinander, das im Heim herrschte, den Alarm ausgeschalten haben. Wer auch immer es war, er hatte versehentlich auch das Licht im Keller erwischt.
Jetzt blieben nur noch ein paar Minuten, bis der Schacht Tod und Zerstörung bringen würde. Zek wusste noch nicht einmal, ob sie selbst im Keller in Sicherheit war, geschweige denn Bruce Trennier im Schacht. Sie war versucht, schon wieder mit ihm in Kontakt zu treten, um zu erfahren, ob er Fortschritte machte. Sie hätte es auch getan, wenn nicht in dem Moment das Telefon geklingelt hätte.
Glücklicherweise hatte sie daran gedacht, eine kleine Taschenlampe mit nach unten zu nehmen. In drei Schritten hatte sie die Nische mit dem Telefon erreicht und eine Sekunde später fragte sie: ›Bruce ... geht es dir gut? Wo zum Teufel steckst du?‹
›Am Fuß der Rohrleitung‹, antwortete er und seine Stimme war ein einziges Zittern. ›Ich habe mich ein paarmal verlaufen ... Gott, Wesen! Ich erwische sie mit meinem Taschenlampenstrahl und sie lösen sich irgendwie in Luft auf! Aber ich kann sie in der Dunkelheit fühlen. Eines von ihnen ... scheint keine Form zu haben! Es zerfällt in meinem Licht, schwebt, formt sich neu. Und Zek – Gott, Zek – sie machen mir eine Gänsehaut! ‹
›Bruce, komm hoch‹, befahl sie ihm. ›Aber so schnell du kannst und ich werde dich rauslassen.‹
Dann verging eine weitere, quälend lange Minute, bis sie ihn gegen die Luke poltern hörte, die sie geschlossen hatte. Es dauerte einen Moment, bis sie das Rad gedreht hatte, ihr Herz hämmerte und ihr Atem ging nur noch schleppend; totales Schweigen und Dunkelheit, außer da, wo ihr Taschenlampenstrahl sie durchbrach. Sie zog an der Luke und er drückte von unten und im letzten Moment dachte sie daran, zu ihm durchzudringen, ihn mit ihrem Geist zu berühren. Und das tat sie ...
... aber sein Geist war blind vor Schmerz und sein einziger Gedanke war ein Schrei, der, noch während sie ihn hörte, schwächer wurde und allmählich in die Ferne des mentalen Vergessens verschwand! Als der Gedanke anhielt und blieb, sich nirgends verstecken konnte, hallte ihr Name immer wider: ›Zek! – Ah, Zek! – Zekkkk! – Ah, Zek-k-k-k-!‹ Bis er weg war.
Zeks Stärke war so gewaltig wie ihre Furcht, als sie versuchte, die schwere Luke auf Trennier zu knallen. Denn tatsächlich war es der Neuseeländer – sein Kopf und seine Schultern –, der aus der Luke auftauchte. Aber es war nicht sein Geist, der ihn vorwärts trieb; es waren nicht seine Muskeln, die ihn aus der Dunkelheit emporkommen ließen, denn der Schmerz hatte ihm sein Bewusstsein und die damit verbundenen Sinne geraubt. Stellt euch das vor. Sein Körper, der auftauchte, schlackernde Arme, die durch die Luke nach oben griffen, blinde Augen, die Zek anstarrten, der Körper kerzengrade. Der Techniker war wie eine groteske Marionette ... er war eine groteske Marionette!
Denn jemand hielt in ihm einen Arm nach oben, streckte ihn ganz aus und die Hand dieses Jemands griff in ihm nach seinem Rückgrat, hielt es kerzengrade! Eine Handpuppe, ja, wie er zusammenknickte, um aus dem Schacht nach oben zu wanken. Und plötzlich wurden Kopf und Schultern von jemand anderem sichtbar. Aber was für ein Jemand!
Zeks Beine waren wie aus Gummi und ihre Hand ebenfalls, als sie sie dazu trieb, nach der Pistole in ihrem Hosenbund zu greifen. Sie stolperte rückwärts, weg von diesem Horrorszenario, doch
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