Nachtgesang
es stimmt; ich sah die Hälfte in Bildern und die Hälfte in Gedanken, von Geist zu Geist. All das, während ich mich herumwälzte und – verflucht seien meine Träume den ganzen Rest meines Lebens – einfach weiterschlief!
Einer der Wartungstechniker des Heims, ein Neuseeländer namens Bruce Trennier, war dort unten im Schacht der Austrittsstelle – dem unterirdischen Ende oder Anfang des Flusses – und wartete die Sperranlage und Turbine des Wasserkraftsystems, die das Heim während der rumänischen Regenzeit mit Strom versorgten. Er war da unten zum einen, weil kein Wasser mehr floss und zum anderen, weil seine Instrumente ihm anzeigten, dass etwas nicht stimmte. Das System war nicht mehr ganz zuverlässig, seit die CMI – die Combined Military Intelligence, die sich inzwischen aufgelöst hat, Gott sei Dank – ihren größten Fehler überhaupt beging und es gesprengt hatte!
Jedenfalls stand Trennier mit dem Nachtpersonal des Heims durch eine Standleitung in Verbindung und berichtete, dass er einen trockenen Kontrollschacht öffnete, um die eigentliche Höhle der Wiederaustrittsstelle betreten zu können. Er hatte die Vermutung, dass dort vielleicht etwas ein Rohr verstopfte. Und damit hatte er recht – es war ein toter Vampirleutnant, dessen Körper eines der Wasserrohre verstopfte!
Selbstverständlich hatten Vavara, Szwartz und Malinari versucht, jemanden darauf aufmerksam zu machen, und sie hatten Erfolg. Trennier zeigte ihnen den Weg nach draußen.
Nun, der Rest ist bloße Spekulation. Ich weiß das alles schließlich nur aus einem Traum, denn es war nicht mehr als ein Traum, aber einer, den ich so gerne vergessen würde! Und selbst damals war er nur bruchstückhaft, wie Träume immer sind; und Zek, meine Zek ... sie war nicht in der besten Verfassung. Aber wer wäre das in ihrer ... in ihrer Situation?«
Wieder wurde Trask still und kämpfte mit seinen Emotionen. Etwas später, als Liz sich vorsichtig erkundigte, ob sie einen Kaffee aufsetzen sollte, nickte er nur. Dann sagte eine ganze Weile niemand mehr etwas, nicht einmal Jake ...
KAPITEL VIERZEHN
ZEKS TOD
Es dauerte einige Minuten, bis Trask fortfahren konnte, aber irgendwann tat er es: »Lasst mich versuchen, es zu erzählen, wie ich es sah beziehungsweise wahrnahm. Es war Nacht im Heim, zwei Stunden vor unserer Londoner Zeit. Zek wurde von ihrem Pager geweckt, von einem der beiden Nachtpfleger. Bruce Trennier war schon im Schacht; was auch immer das Problem war, er sagte, man dürfe keine Zeit verlieren. Laut Wettervorhersage sollte es starken Regen geben und die Wiederaustrittsstelle konnte leicht überflutet werden. Wenn dort unten etwas die Rohre blockierte, konnte der Druck zu allen möglichen neuen Problemen führen.
Deshalb war er nachts nach unten gestiegen, ausgestattet mit einem Werkzeugkasten, einer leistungsfähigen Taschenlampe und einem uralten, batteriebetriebenen Telefon, das wahrscheinlich defekt war, denn das Signal war schwach und unregelmäßig. Aber noch bevor Zek das Dienstzimmer betreten hatte, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Nicht mit Trennier, wisst ihr – denn sie wusste überhaupt nichts von ihm –, sondern ganz allgemein. Zek war eine fähige Telepathin, wie ich schon gesagt habe, und es gab dort eine ... was? Eine Präsenz? Eine Störung im psychischen Äther? Eine Art Interferenz? Was auch immer, irgendetwas stimmte nicht mit dem ›Rauschen‹ – so nennen die Telepathen das Hintergrundgeräusch und das Gedankengewirr, das von den Leuten um sie herum abgegeben wird – und es war etwas, was sie noch nie zuvor gespürt hatte.
Nun, im E-Dezernat gibt es Regeln: Wir benutzen unsere Talente nicht gegeneinander, nie. Ich bin eine Ausnahme: Meine Gabe benutze ich automatisch, so wie Darcy Clarke vor mir. Darcy konnte das, was er tat, nicht kontrollieren – tatsächlich tat er nicht einmal etwas –, sein Talent übernahm einfach für ihn. Er war ein Deflektor, das Gegenteil eines Unglücksraben, so als ob stets eine Art Schutzengel bei ihm war, um über ihn zu wachen. Darcy hätte in Schneeschuhen ein Minenfeld durchqueren können ohne verletzt zu werden, wenn ihn sein Talent gelassen hätte. Aber glaubt nicht, dass es ihn leichtsinnig machte. Im Gegenteil, wenn er eine Glühbirne wechselte, schaltete er vorher gewissenhaft den Strom ab! Oder vielleicht war es auch nur sein Talent, das darauf bestand.
Bei mir ist es ähnlich: Wenn mich jemand anlügt, kann ich nicht anders, als es zu wissen. Es ist
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