Nachtgesang
und zurück zu einem der Gänge zu gehen – egal welchem, es machte keinen Unterschied – und hinauszuklettern. So lange sie in Kontakt blieben, würde sie wissen, dass er es war und kein anderer; sie würde ihn nicht erschießen, wenn er rauskam.
Aber ihm das zu sagen, war ein Fehler. Kein anderer? Von welchem oder welchen anderen redete Zek? Was wusste sie, was Trennier nicht wusste? Andere, die erschossen werden mussten? Andere, die fähig waren, einen hochgewachsenen Mann in eine 50 Zentimeter breite Röhre zu quetschen? Wer zum Teufel waren diese mörderischen Wesen da unten in dem Schacht bei ihm? Aber nein, sie brauchte sich nicht damit aufzuhalten, ihm das zu erklären. Und Scheiß auf den Hebel! Er würde genau jetzt zurück zum Rohr gehen – und hoch durch die Luke – und Gott stehe jedem Mann oder jedem Ding bei, das versuchen würde, ihm in die Quere zu kommen!
Zek schrie also ins Telefon, schrie hinein, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und schließlich gelang es ihr; aber sie wusste, dass sie mit ihm hart umspringen musste. Es war der einzige Weg. Sie verriet ihm, dass die Luken geschlossen waren und dass sie sie nicht öffnen würde, bis sie wusste, dass er den Hebel umgelegt hatte! Oh, Zek wusste, dass sie ihn auf jeden Fall herauslassen würde, egal wie es ausging, aber sie traute sich nicht, ihm das zu sagen.
Also tat er es, er legte den Hebel um; und Zek wusste, dass er es getan hatte, denn sie durchschaute ihn mit ihrer Telepathie und hatte ›gesehen‹, dass er es getan hatte! Und jetzt blieben ihnen nur noch 15 Minuten ...
Aber als sie Trenniers Gedanken erspürte, öffnete sie ihren Geist – und es waren nicht nur seine Gedanken, die durch die aufgehobene Barrikade drangen. Sie ertappte sich, ganz kurz, wie sie etwas anderem zuhörte, dem Ding, das die Kinder verschreckt hatte. Es war eine kurze, gedankliche Berührung, vergänglich, aber trotzdem wurde ihr Geist von Eiseskälte ergriffen, die sie fast zu einer Salzsäule erstarren ließ:
›Ahhh, schau! Jetzt bewegt er sich. Jetzt flüchtet er von dem Ort, und weil er das tut, zeigt er uns einen Weg nach draußen ...‹ Das und nichts weiter, und schon schirmte Zek ihren Geist wieder ab. Aber das war sicher mehr als genug. Voller Panik befand sich Bruce Trennier auf dem Weg zu ihr ... und wie viele Wamphyri verfolgten ihn?
Aber es zeigte auch bis zu einem gewissen Grade Unsicherheit der Wamphyri – zeigte, dass sie nicht ganz sicher waren darüber, was sie in dieser Welt erwartete –, denn sie hatten Trennier nicht einfach ergriffen und ihn gezwungen, ihnen den Weg nach draußen zu zeigen. Was zum Beispiel hatte dieses kalte Wesen an Information aus den verstörten Gehirnen der Heimkinder gezogen? Nichts, außer vielleicht etwas von der fürsorglichen Wärme und Aufmerksamkeit des Waisenhaus-Personals. Aber das an sich konnte schon als Schwäche gesehen werden, denn auf Starside blieben solche Kinder nicht verschont. Mental – und oft auch physisch – schwach, warf man sie dort den Bestien zum Fraß vor. Selbst auf der Sonnseite pflegten die Szgany nicht lange zu überlegen, ob sie eine solche Last akzeptieren sollten, besonders unter der Bedrohung der Wamphyri. Was konnten solche Kinder schon sein außer einem großen Hindernis? Dennoch kümmerte man sich hier um sie? Das sprach Bände über die Erdenbewohner, aber hauptsächlich, dass sie weich, mit unnötigen Schuldgefühlen belastet und von Selbstzweifeln geplagt waren und Mitleid mit ihrer Umgebung und mit Außenseitern hatten. Auf Starside hingegen wurden Außenseiter gefressen.
Was Zek natürlich nicht wusste, war, dass Vavara und die anderen schon etwas von der furchteinflößenden irdischen Feuerkraft mitbekommen hatten. Am Sternseiten-Tor waren sie mit General Mikhail Suvorovs Männern zusammengestoßen: ein ungleicher Kampf, ja, aber zu der Zeit waren sie eine Armee gewesen. Jetzt waren da nur noch drei von ihnen, plus eine Handvoll Leutnants. Nicht nur das, sondern Malinari wusste auch, dass zumindest eine Bewohnerin dieser Welt eine mächtige Telepathin war. Obwohl sie nicht von seinem Schlag war (aber andererseits, wer war das schon?), war sie immer noch ein Beweis dafür, dass die Höllenländer nicht völlig wehrlos waren.
Die Minuten vergingen und Zek saß wie auf glühenden Kohlen. Fünf Minuten, sechs, sieben. Selbst wenn sie zum trockenen Bett der Wiederaustrittsstelle zurückging und zur Felsspalte mit dem Schalter kletterte, war sie nicht mehr in der
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