Nachtgesang
Seiten derselben Medaille, seht ihr? Und ihr wundert euch, dass ich vorsichtig bin. Herrje, natürlich bin ich vorsichtig! Soll ich etwa so etwas ins E-Dezernat eindringen, sich bei uns einschleichen, unsere Geheimnisse herausfinden und sie gegen uns verwenden lassen? Ich denke nicht.«
»Und wenn du dich irrst?«, warf Liz ein.
»Ich hoffe, dass ich unrecht habe!«, antwortete Trask. »Ich glaube, dass ich mich irre und ich will mich irren. Aber wenn ich recht habe, werde ich überleben und du auch, Liz. Schau, du hast Dinge über Harry gelesen, aber du hast ihn nie gekannt. Du hast nicht gesehen, was er tun konnte. Die anderen Dinge, die er tun konnte. Ich habe es gesehen und ich will nicht, dass eine solche Macht in die falschen Hände gerät. Das könnte unser aller Ende sein.«
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ die Augen nachdenklich auf Jake und Lardis an der Bar ruhen, aber nur ganz kurz. Dann beendete er das Gespräch: »Schluss jetzt. Lassen wir das, und zwar alle. Aber Liz, versuch dich an das zu erinnern, was ich gesagt habe. Und das nächste Mal, wenn ich dich um etwas bitte, tu mir den Gefallen und zweifle nicht vorschnell an meinen Absichten ...«
In der Zwischenzeit fragte Jake den Barkeeper nach einem Beruhigungsmittel, nach etwas, das ihn während des nächsten Teils ihrer Reise schlafen ließe. Nachdem der Mann weggegangen war, um ihm etwas zu holen, erkundigte sich Lardis:
»Hast du nicht gut geschlafen?«
Jake sah ihn an. »Schlaf ist eine seltsame Sache«, sagte er. »Weißt du, was mein Arzt mir gesagt hat, als ich damals in dem Krankenhaus in Marseille lag, nachdem ich mich hatte niedermähen lassen?«
»Wie soll ich denn das wissen?«, erwiderte Lardis, der noch lang nicht alle Feinheiten der englischen Sprache richtig zu deuten wusste. »Ich bin ja schließlich nicht mit dir dort gewesen, oder?«
»Jedenfalls«, fuhr Jake fort, »hatte ich Dinge zu erledigen und wollte da raus, aber sie wollten mich nicht gehen lassen. Dieser Arzt erklärte mir, dass ich Ruhe bräuchte, ein bisschen schlafen müsste. Er sagte, es gäbe verschiedene Arten von Schlaf: eine Art, die von physischer Überanstrengung herrührt und eine, die von geistiger Anstrengung kommt. Und dass, selbst wenn man weder physische noch geistige Arbeit geleistet hat, etwas dich warnt, wenn dein Körper oder Geist zu lange aktiv war und dringend eine ordentliche Pause braucht. Schlaf ist eine Medizin – die beste, die du kriegen kannst – wenn du verwundet bist oder ein mentales Trauma erlebt hast, aber zu viel davon kann dich schwächen anstatt dich zu kurieren. Du kannst in deinem Schlaf wandeln und sprechen und in manchen Fällen verzwickte Problemstellungen lösen. Schlaf kann herbeigeführt werden, man kann sich ihm wiedersetzen, man kann ihn verlängern oder unterbrechen, aber niemand kommt zu lange ohne aus ...«
Als er schwieg, sagte Lardis: » Puh! Und das als Antwort auf eine simple Frage!«
Jake nickte bestätigend und erklärte: »Ich neige normalerweise nicht zu solcherlei Ausschweifungen, aber ich hab es mir irgendwie gemerkt, nicht so sehr das, was der Arzt über Schlaf gesagt hat, als das, was er nicht gesagt hat. Damals trafen diese Dinge nicht auf mich zu. Jetzt schon.«
»Ich lerne gerade sehr viel über Schlaf!«, grunzte Lardis. »Erzähl mir mehr.«
»Er produziert Träume«, erklärte Jake. »Oft sind sie enigmatisch, undurchschaubar und normalerweise kann man sich nicht an sie erinnern, weil sie keine Bedeutung haben. Kannst du mir folgen?«
»Und ich lerne auch gerade sehr viele neue Wörter!«, seufzte Lardis. »Aber weiter, nur weiter.«
»Aber von Zeit zu Zeit«, fuhr Jake fort, »von Zeit zu Zeit, bedeuten sie etwas. Sie sind wie – ich weiß nicht –, wie Verarbeitungsstellen für all das Wirrwarr, das sich, während wir wach sind, ansammelt. Und wenn der Schutt beiseite geschafft wurde, findet man manchmal noch einen oder zwei Silberklumpen dazwischen.«
»Und du hast ab – äh, abge – äh ...«
»Abgebaut?«
»Richtig! Hast du?«
»An Bord des Helikopters«, antwortete Jake. »Ich bin sicher, mein Traum – mein Albtraum – hatte eine Bedeutung. Ich will wieder dorthin zurück.« Er zuckte müde mit den Achseln. »Ich muss verrückt sein, oder? Dass ich gerne zurück in einen Albtraum möchte? Aber was soll’s, zum Teufel damit. Ich habe vielleicht geschlafen, aber ausgeruht fühle ich mich nicht. Ich bin immer noch sehr schwach auf den Beinen.«
»Es ist die
Weitere Kostenlose Bücher