Nachtgesang

Gedanken sind ... korrupt! Nicht was er sagt, sondern wie sie sich anfühlen. Ich kann dich nicht fühlen, Harry; du bist da in meinem Kopf, aber auf eine unaufdringliche Art, nicht so sehr wie ein Eindringling, sondern eher wie ein Wegweiser. Aber Korath ... ich kann seine Gedanken fühlen wie Schnecken, die in meinem Kopf ihren Schleim verteilen und meinen Geist besudeln!«
    Er spürte Harrys ernstes, zustimmendes Nicken. Genau. So wie sein verwesender Körper dieses Wasser verschmutzte, bevor sein Fleisch sich von seinen Knochen löste. Aber hier starb er und deshalb ist er hier. Jetzt kannst du vielleicht verstehen, weshalb Ben Trask dir nicht gleich alles erzählen wollte. Nicht jedermann kann es ertragen, mit den Toten zu sprechen, Jake.
    »Sicherlich nicht mit dem hier!« Jake schüttelte energisch den Kopf. »Alles was ich im Moment will, ist so schnell wie möglich hier raus zu kommen!«
    NEIN! NEIN, WARTET!, bat Korath Hirnsknecht. Geht nicht! Lasst mich nicht allein! Vor euch war hier nichts, nur Dunkelheit und Einsamkeit und das sichere Wissen, dass ich verstoßen war. Ich habe die zahllosen Toten in ihrer endlosen Nacht gehört und ich weiß, dass sie einander vor mir gewarnt haben: dass ich ein Vampir sei, eine schreckliche Kreatur, die man am besten allein lasse. Tja, und so war ich ein Vampir. Aber jetzt ... ich habe keine Beschäftigung! Ich habe nichts. Sogar mein Fleisch ist von meinen gebrochenen Knochen geschwunden und hat mich verlassen! Habt ihr kein Mitleid, ihr warmen Wesen? Ich kann euch nichts zuleide tun. Ich bin nichts. VERLAAAAAASST MICH NICHT!
    In dem Moment ließ Jakes Hass nach und er fühlte nur noch Mitleid mit dem Wesen. Bis Harry ihn aufklärte:
    Das ist auch ein Fehler. Vampire sind die größten Lügner und Betrüger, die man sich vorstellen kann, über alle Maßen doppelzüngig. Dieser hier, Korath, ist keine Ausnahme. Später fragen wir ihn, warum Malinari ihn ausgewählt hat – ›den Ersten seiner Leutnante‹ –, um sein Rohr zu verstopfen, wo er doch mindestens drei andere hatte, die er hätte nehmen können. Rein aus Spaß? Wohl kaum. Man bildet niemanden aus oder unterrichtet ihn so lange, wie Korath Hirnsknecht behauptet, in Knechtschaft gewesen zu sein, nur um ihn kurzerhand umzubringen. Malinari hatte einen Grund.
    NEIN!, heulte Korath. Das ist eine Lüge! Nein, nein – vergebt mir – keine Lüge, sondern ... sondern eine Fehlinterpretation? Malinari hatte keinen Grund; er brauchte keinen Grund; es war nie notwendig für ihn, nach Gründen zu suchen. Er war das Hirn und was auch immer er wollte, wurde getan. Fleisch wurde benötigt, um das Rohr zu verstopfen, und mein Fleisch ... es war biegsam und stand zur Verfügung. Das war genug. Mehr muss man dazu nicht sagen.
    Also, sagte Harry , dein Fleisch war biegsam ...
    Aber nicht so biegsam!, unterbrach ihn der Vampir. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Qualen ich ...
    ... Und du warst gefügig.
    War ich nicht! (Korath leugnete es vehement). Ich wusste es nicht! Lord Malinari sendete seine Gedanken aus; sie gelangten zu dem Mann, der diesen Ort wartete und die Maschinen verstand. Aber das Hirn war klug und vorsichtig. Auf der Sonnseite gibt es Szgany, die wissen, wenn Wamphyri in der Nähe sind; sie verschließen ihren Geist, denken nicht und verstecken sich so vor den Großen Vampiren. Vielleicht gab es auf dieser seltsamen neuen Welt Menschen wie sie. Ganz verstohlen vergewisserte sich Malinari, dass seine Präsenz nicht erwartet wurde. Er erlangte das Wissen von diesem Ingenieur und lernte, wie der Schacht verlief, was mein Untergang war! Mein Herr erzählte mir, dass das Rohr ein Ausgang wäre. Er bat mich hineinzukriechen, um sicherzustellen, dass der Weg frei war. Als meine Schultern nicht durchpassten, sammelten er und Vavara und Szwartz all ihre brutalen Wamphyri-Kräfte, um mein Rückgrat und meine Schultern zu brechen und mich wie einen Korken in eine Flasche zu stopfen ...
    Zek? Jake?, fragte Harry und seine tiefe Totenstimme klang irgendwie anders. Sie wussten, was es war: Er sprach nur zu ihnen und schirmte seine Gedanken gegen Korath Hirnsknecht ab. Lasst mich das regeln. Zek, es ist wahrscheinlich nicht angenehm, deshalb überlass es unter allen Umständen komplett mir. Korath wird Dinge sagen, die du nicht hören willst. Und ich vielleicht auch nicht.
    Ich werde mich verdrücken , antwortete sie ihm sofort. Ich habe mehr als genug mit Vampiren zu tun gehabt, wie du weißt, und ich brauche nicht