Nachtgesang
belügen und dir sagen, dass etwas für dich drin ist. Nur unsere Gesellschaft, so lange sie andauert.
Aber Korath entgegnete:
Und doch redest du , obwohl du tot bist! Ich weiß es, denn ich habe gehört, wie sie in ihren Gräbern flüsterten. Wenn sie merken, dass ich zuhöre, schweigen sie oder schließen mich aus. Warum sprechen sie nicht mit mir?
Sie mögen dich nicht, mutmaßte Harry. Kannst du ihnen das übel nehmen? Da sie tot sind, hassen sie den Tod. Und sie wissen, dass du dich daran geweidet hast!
Ich tat, was Vampire tun. Gibt es kein Mitleid?
Für dich nicht.
Dann habe ich auch keins mit euch!, schmollte Korath. Ihr wagt es, euch Vavara, Szwartz und Malinari entgegenzustellen? Ohne alles zu wissen, was es über sie zu wissen gibt? Viel Erfolg! Ihr seid tot und werdet von Zeit zu Zeit an mich denken, wenn ihr mit zerschmetterten Knochen oder vertrocknet in einer Ecke liegt oder zu Kriegerfutter verarbeitet werdet. Dann werdet ihr euch vielleicht wünschen, dass wir länger gesprochen hätten, aber dann ist es zu spät. Bis dahin werdet ihr nichts mehr von mir hören. Er schwieg, aber Harry entgegnete:
Du hast gar keine Ahnung wie sehr ich deine Bluffs und dein Geprahle satt habe. Was erwartest du von mir? Was könnte ich wohl für dich tun? Du bist tot, Korath!
Du auch, protestierte Korath. Und doch kannst du dich bewegen, hast Gesellschaft ... eine Zukunft?
Mein Fall ist anders, widersprach Harry. Und die Zukunft unterschätze ich nie.
Und Jake? Seine Zukunft?
Eine Listigkeit lag in Koraths Totenstimme und sie gefiel Harry nicht. Er fragte sich, ob er eine versteckte Anspielung entdeckte oder vielleicht sogar eine Art Drohnung. Jake ist ein Träumer, sagte er. Im Moment ist er nichts mehr und nichts weniger. Er ist mein Lehrling, wenn du es so nennen willst, und momentan weiß er noch sehr wenig über solche Dinge – aber er wird lernen.
»Pah!«, schnaubte Jake. »Selbst wenn ich nicht will, wie es scheint!«
Jaaaaa, zischte Korath. Und ich fühle deine Auffassungsgabe. Aber Harry hat recht. Du solltest ... lernen. Wenn nicht von ihm, dann vielleicht von mir?
Harry war sofort alarmiert. Du weißt, was wir von dir wollen. Und das ist alles, was wir wollen. Also, was kannst du uns bieten?
Szwartzs Herkunft?
(Harry nickte in Totensprache.) Und mehr über Malinaris Blutfehde, wie du die Eislande überlebt hast und schließlich hierher kamst.
Korath seufzte. Nun gut. Denn ich kann vergeben, im Gegensatz zu euch.
Er hielt inne, dann seufzte er wieder und fuhr fort: Hier kommt also die restliche Geschichte ...
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
ÜBERLEBENDE
»Szwartz’ Herkunft ist schwer nachprüfbar«, begann Korath das letzte Kapitel seiner Erzählung. »Ich kann nur das wiederholen, was ich über ihn hörte, während ich vor all den Jahren meinem Herrn, Malinari von Malinshöhe, zu Diensten stand. Und natürlich kann ich über das berichten, was ich von ihm gesehen habe, denn er war ja schließlich neben Vavara Malinaris Verbündeter, mit dem er in die Verbannung ging, nachdem sie von der Armee Dramals des Verdammten geschlagen wurden ...
Noch einmal zu Szwartz’ ›Besuch‹ auf Lord Stakis’ Narkshalde: Obwohl das nur ein Vorreiter der eigentlichen Feindseligkeiten war, spielte er dennoch eine wichtige Rolle in der allmählich zunehmenden Spannung zwischen den Parteien, die sich bald bekriegen würden. Ich erinnere mich, dass Malinari sehr bald nach Narkus’ Ableben, als die Proteste aus den Festen lauter wurden, die letzten einer Reihe von Treffen mit seinen zukünftigen Partnern, Vavara und Szwartz, arrangierte.
Alle drei ›Außenseiter‹ – Ausgestoßene, gemieden oder geächtet von den restlichen Wamphyri – rechneten zu dem Zeitpunkt, wenn sie sich aus ihrem jeweiligen Zuhause hervorwagten, immer mit Ärger: Kämpfe um strittigen Luftraum, Streitigkeiten um Grenzgebiete und auch Hinterhalte waren nicht unwahrscheinlich. Aber da ihre Heimstätten zufällig ein kleines Dreieck in der Mitte der Vampirfesten formten und der Raum innerhalb des Dreiecks ihnen gehörte, konnten sie normalerweise ohne Bedrohung oder Komplikationen fliegen. Natürlich war ihre räumliche Nähe ein weiterer guter Grund für ihr Bündnis. Rücken an Rücken gaben sie einen furchteinflößenderen Feind ab.
Jedenfalls kamen Szwartz und Vavara auf Flugkreaturen über die jeweiligen Schluchten aus der Dunkelspitze beziehungsweise der Betörungsstätte, um sich mit meinem Herrn auf der Malinshöhe zu treffen.
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