Nachtgesang
menschlich, dafür umso mehr ein Fleck oder ein Schatten, wie ein dunkler Klumpen, der aus den unbeleuchteten Tiefen der Keller von Malinshöhe nach oben kam.
›Keineswegs, mein Herr!‹ Ich wich zurück. ›Ich bestaunte lediglich den ehrwürdigen Gast meines Herrn – so sehr, dass meine Zunge ... mir ... mir am ... Gaumen festgeklebt ist.‹ Das war noch nicht einmal eine Lüge!
›Schätz dich glücklich, dass du überhaupt noch eine Zunge hast.‹, flüsterte Szwartz und zog etwas, das nicht ganz wie eine Hand aussah, die nach mir griff, zurück. ›Und freu dich auch, dass meine Etikette es mir verbietet, einen Leutnant eines Verbündeten auf dessen Grund und Boden umzubringen.‹
›Ja, Herr!‹ Ich verbeugte mich und bevor noch mehr schiefgehen konnte, zwang ich meine tauben Beine, mich in die Richtung der Kammern meines Herrn zu tragen. Lord Szwartz ging dicht hinter mir und ich konnte ihn fühlen , schweigend, ernst und schäumend vor Wut, wobei ich mir einbildete, dass es nicht so sehr seine Gedanken waren, die schäumten, sondern vielmehr er als Person! Vielleicht war es so. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, da ich mich nicht umdrehte ...
Als Szwartz fertig war, sah ich ihn gehen, aber nur aus der Ferne. Als der Hüter von Malinaris Ställen ihm die Zügel seiner Flugkreatur übergab, stand ich an einem etwas höher gelegenen, in die bloße Wand der Feste eingelassenen Fenster. Von dort beobachtete ich, wie er aufstieg, abhob und wegflog.
Aye und ich sah auch, wie seine menschenähnliche Gestalt sich verflüssigte, er sich nach unten duckte und eins mit der Silhouette seines schwarzen Flugtieres wurde. Ich sah seine brennenden Augen – viel zu viele Augen – die aus dem Gesicht dieser abscheulichen, buckligen Gestalt zur Malinshöhe zurückblickten, als ob ihr Besitzer ahnte, dass ihn jemand beobachtete!
Dann war er weg und Flugkreatur und Reiter verschwanden beide, schwarz auf schwarz im gähnenden Abgrund, wie die Überreste eines verbrannten Stücks Stoff oder ein zerfetztes, von der Fahnenstange gelöstes Banner, das vom Wind, der um die Festen der Wamphyri heult, gebeutelt wird ...‹
Nachdem ich Szwartz vom luftigem Grund und Boden der Malinshöhe hatte verschwinden sehen, kehrte ich zu meinem Herrn und der strahlenden Vavara – dem kompletten Gegenteil von Szwartz – zurück. Die beiden redeten immer noch in Malinaris Privatgemächern. Jetzt, da Szwartz gegangen war, wurde er zum Hauptthema ihres Gespräches. Da ich seinen Namen hörte und weil mein Interesse, wenn auch auf krankhafte Weise, geweckt worden war, zog ich mich in die Schatten zurück und lauschte.
›Es lag ihm im Blut‹, sagte Malinari (sodass ich schon wusste, was er als Nächstes sagen würde) ›und was jemandem im Blut liegt, kommt auch im Fleisch zum Vorschein – oder in Szwartz’ Fall in dem, was so aussieht wie Fleisch!‹ Er fuhr fort:
›Vor 70 Jahren, etwas vor deiner Zeit, Vavara – wurde Szwartz einem Wamphyri-Lord und einer Wamphyri-Lady geboren. Dies allein machte ihn schon zu einer Ausnahme der Regel, denn, wie du weißt, geben die Wamphyri normalerweise ihre Eier weiter, wenn es an der Zeit ist, damit Ei-Söhne und -töchter entstehen können; oder wir nehmen uns Szgany-Frauen – äh, vergib mir, oder -männer – um so Blutkinder zu bekommen. Aber es ist selten, dass ein Lord eine Lady zur Frau nimmt oder umgekehrt. Und noch seltener ist das, was bei Szwartz passierte, nämlich, dass dessen Vater auch der Bruder seiner Mutter war!
Inzest? – das ist nicht so außergewöhnlich unter Wamphyri. Aber eine Inzestehe von Zwillingen?
Um eine Erklärung dafür zu finden, muss man in der Zeit zurückgehen, aber nicht weit. Szwartz’ Großvater, sein blutsverwandter Großvater, war infiziert mit einer gewissen Krankheit, die in unseren Kreisen noch nicht einmal erwähnt wird! Aber wenn sie sich ausbreitet, wird sie un erwähnbar. Metamorphismus, aye. Wie du bemerkst, spreche ich davon nur mit verhaltener Stimme. Solche Dinge darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Bevor er wusste, dass er diese so seltsame und abscheuliche Krankheit hatte, bekam Lord Szwartz’ Großvater Zwillinge von einem Szgany-Mädchen. Bruder und Schwester wuchsen zusammen in der Feste ihres Vaters auf – in der Mittelfeste, wie sie damals hieß, aufgrund ihrer Nähe zum Zentrum, wo sie sich erhob. Sie waren Wamphyri!
Zu dem Zeitpunkt war der Fluch ihres Vaters jedermann bekannt; er hatte seine metamorphen Kräfte
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