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Nachtgesang

Nachtgesang

Titel: Nachtgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Sonnseite hatten mir nie Angst eingejagt. Aber das war kein gewöhnlicher Schatten. Da war etwas Finsteres, Wissendes, Kluges an ihm; er bewegte sich, als ob er eine Mission habe und tief in meinem Herzen wusste ich, dass ich ihn nicht aufhalten konnte. Wenn ich es nur versuchte ... würde er sicherlich mich aufhalten! Aber noch wusste er nicht einmal, dass ich da war. Zumindest hoffte ich das.
    So leise wie möglich kroch ich in meine Nische hinein, zog mich, so weit ich konnte, zwischen die Spinnen und Käfer zurück – und dann noch weiter, bis die scharfkantige Felsspalte mir Brust und Rücken verkratzte – und hielt dann still, mucksmäuschenstill, dort in der verstaubten Dunkelheit.
    Und am Ende kam etwas.
    Fragt mich nicht, was es war, aber es kam, und es war Teil der Dunkelheit. Und obwohl ich es nicht sehen konnte, wusste ich, dass es da war.
    ›In der Tat bin ich hier!‹ Eine Stimme drang an mein Ohr wie das Rauschen von Blattwerk, so nah, dass ich ihren Atem fühlen konnte! Sie fuhr fort: ›Ich sehe, dass du Angst hast, und das ist gut. Hab Angst , mein Freund, und gib keinen Laut von dir. Bleib ganz lang in dieser engen Felsspalte, während ich meinem Geschäft nachgehe, und ich werde dir nichts tun. Aber wenn du herauskommst ... ah, das wäre ein kurzes, aber sehr unangenehmes Intermezzo. Haben wir uns verstanden?‹
    Ich konnte nur nicken, und obwohl ich gar nichts sah, sah der Schatten doch mich. ›Gut‹, flüsterte er, und danach sagte er nichts mehr.
    Dann blieb ich wieder allein, ganz lang allein – und war froh darüber ...
    ... Wie lange kann ich nicht sagen. Aber als ich es wagte herauszukommen, sah ich, dass meine Fackeln ausgebrannt waren. Als ich genauer hinsah, wurde mir bewusst, dass sie ausgemacht – absichtlich gelöscht – worden waren. Nicht nur meine Fackeln, sondern alle Lichter auf der Narkshalde, bis die Feste gänzlich in Dunkelheit lag.
    Als ich dann hineinging, fand ich, was ich fand, und entdeckte die Schlupflöcher einer Handvoll anderer, die Geschichten zu erzählen hatten, die meiner eigenen sehr ähnlich waren. Woraufhin ... könnt ihr es uns verdenken, dass wir aus dem heimgesuchten Ort flohen und so rasch wie möglich hierher kamen ...?‹
    Das war die Geschichte des Knechts und die Erzählungen der anderen Überlebenden waren ganz ähnlich. Aber die Überlebenden von was?«
    Da die Antwort auf Korath Hirnsknechts letzte Frage offensichtlich war, schien eine Antwort überflüssig. Aber Harry Keogh antwortete ihm trotzdem, indem er sagte: Überlebende von Lord Szwartz, natürlich.
    Harrys Worte, die in Jake Cutters Geist klar und entschlossen klangen, holten ihn aus der Träumerei, die Koraths Erzählung hervorgerufen hatte; aus dem, was wie ein Traum in einem Traum erschien, wo alles, was der einstige Vampir-Leutnant beschrieb, so wirklich erschien, als wenn Jake selbst, zu einer anderen Zeit und in einer anderen Welt, dort gewesen wäre.
    »Was? Wo?« Jake schüttelte sich. Er schaute sich um und sah nur Schutt: die zerbrochenen Pfeiler und zerschmetterten Betonplatten, die von der Decke gefallen waren, das teilweise glühende, von Brandflecken durchsetzte Ende des Kontrollschachts, aus dem trübe wirbelnd dunkles Wasser aufstieg. Dort hatte dieser Teil der Vampir-Geschichte seinen Ursprung: im hässlichen Rohr, in dem Korath den wahren Tod gestorben war und welches immer noch seine vom Wasser weißgewaschenen Knochen enthielt, von denen das Fleisch abgefallen war. Jake schauderte.
    Harry spürte sein Unbehagen und fragte: Geht es dir gut?
    »Nein«, antwortete Jake. »und denk nicht, dass es mir je wieder gut gehen wird.«
    Doch, wird es, antwortete der andere. Muss es. Jedenfalls sind wir hier immer noch nicht fertig. Ich will mehr über Szwartz wissen – was er ist und wie er es wurde – und ich denke, dass Korath all das weiß. Aber ich merke, dass er langsamer wird in seiner Erzählung, etwas zurückhält.
    Woraufhin Korath sofort antwortete: Damit hast du recht! Denn mir wird klar, dass ich mir hier selbst keinen Gefallen tue. Wenn ihr erfahren habt, was ihr wissen wollt, was ist dann mit mir? Keine Vergebung, verstoßen von den Lebenden und von den Toten, weggespült ins Nichts und verstreut über ein fremdes Land? Ha! Ich kann mir Besseres vorstellen.
    Du bist tot, sagte Harry. Das passiert mit den Toten, wenn die Umstände so sind wie bei dir.
    Korath antwortete: Ah, kalt, kalt!
    Nein, erwiderte Harry , nicht wirklich. Nur ehrlich. Ich werde dich nicht

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