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Nachtgesang

Nachtgesang

Titel: Nachtgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Das war das erste Mal, dass ich Szwartz sah. Und ganz im Gegensatz zu den damaligen Szgany-Lagerfeuermärchen war Lord Szwartz sichtbar, wenn er es sein wollte. Mit einer angemessenen Menge Licht und wenn er sich entschied, eine akzeptable Gestalt anzunehmen, (was ihn ohne Zweifel viel Willenskraft kostete und auch immer noch kostet) konnte er gesehen werden, auch wenn er es vorzog, un sichtbar zu bleiben. Aber in seiner Verfassung ... nun, da war das sicher verständlich.
    Ich spüre, dass ich eure Neugier geweckt habe; ihr fragt euch, von was für einer ›Verfassung‹ ich spreche und was ich mit ›akzeptabler Gestalt‹ meine? Wir werden später darauf zurückkommen.
    Also, Lord Szwartz kam von der Dunkelspitze, und ich wurde geschickt, um ihn auf der Malinshöhe willkommen zu heißen und seine Flugkreatur in einem Stall unterzubringen, genau wie ich es bei Vavara gemacht hatte, als sie kurz vorher von der Betörungsstätte gekommen war, ihrem Schloss mit schwindelerregenden Balkonen und reliefverzierten, hoch aufragenden Spitztürmen.
    Ich erinnere mich, dass die Sonne einige Stunden zuvor untergegangen war, und nur noch die letzten, schwachen Strahlen der ersterbenden Sonne tauchten die Gipfel der Grenzberge in goldenes Licht. Das bisschen Helligkeit war im Allgemeinen keine große Bedrohung für die Wamphyri (selbst zur Mittagsstunde berührten die tödlichen Strahlen lediglich die höchstgelegenen Spitzen der höchsten Festen), aber für Szwartz, der Angst davor hatte gesehen zu werden, war es ein Problem.
    Und da haben wir es:
    Lord Szwartz’ Angst vor Licht lag nicht darin begründet, dass er befürchtete, davon vernichtet zu werden, sondern davor, dass das Licht ihn sichtbar machte! Diese seltsame Photophobie war nicht so sehr eine physische wie eine mentale Schwäche, die vielleicht seine in sich gekehrte Natur erklärt: Es wurde gemunkelt, dass er zölibatär lebte und dass er sich selten weit von seiner Feste entfernte (und wenn, dann nur auf die Sonnseite, um zu jagen) und mit niemandem Umgang hatte außer mit seinen Knechten oder seinen eigens geschaffenen Kreaturen auf der einsamen, schattendurchzogenen Dunkelspitze.
    Aber die Hässlichkeit, die Szwartz sich nicht traute zu offenbaren, war nicht nur in seinem Kopf. Er dachte sie sich nicht bloß aus. Vielmehr war sie sehr real, und erblich ...
    Er kam auf einer der Landebuchten von Malinshöhe an. Seine Flugkreatur war schwarz wie die Nacht; sie war deutlich sichtbar gewesen, als sie über die Kluft hinwegschoss, aber im Schatten von Malinshöhe war sie einfach verschwunden. Ich stand bei der Landebucht und wartete – und plötzlich war Szwartz da! Eine schwarze Gestalt blies ihren nachtschwarzen Atem in mein Gesicht, als der Schatten, der Szwartz und seine Flugkreatur war, landete. Als er dann abstieg, rief ich nach Knechten, die sein Tier versorgen sollten. Szwartz baute sich neben mir auf und sagte:
    ›Du, Leutnant – bring mich zu Malinari.‹
    Seine Stimme war ein Keuchen, ein Schnaufen, ein Windstoß durch eine enge Kluft. Da war er, Szwartz selbst, ganz in schwarz gehüllt – nur ein dunkler Fleck einer Gestalt, die weder äußerlich noch sonst irgendetwas von seiner einstigen Menschlichkeit behalten hatte – so stand er vor mir im flackernden Fackelschein der Landebucht!
    Aber obwohl Szwartz selbst keine besonderen Züge hatte, in schwarz gehüllt und mit einer Stimme, die dem Flattern von Fledermausflügeln ähnelte, war seine Präsenz enorm; so beständig wie das Felsgestein in den kargen Felsplateaus. Und seine nächtliche Aura: Sie verursachte bei Vampiren eine Gänsehaut – und ich war ein Leutnant! So konnte ich also gut verstehen, wie die niederen Knechte auf der Narkshalde sich gefühlt hatten, als ihnen Szwartz gegenüberstand.
    Er funkelte mich aus seinen zu feurigen Schlitzen verengten Augen an. Sie waren das Einzige an ihm, was nicht schwarz war. ›Nun? Muss ich mir etwa meinen eigenen Weg suchen?‹ Denn ich war so verblüfft, dass ich ganz vergessen hatte, ihm Respekt zu zollen!
    ›Nein, mein Herr‹, antwortete ich. ›Ich werde Euch begleiten. Hier auf der Malinshöhe verlangt es die Etikette, dass ich Euch schweigend diene, bis Ihr mir anderweitig befehlt.‹
    ›Du Narr!‹, spie er. ›Ich habe es dir bereits befohlen! Bring mich jetzt zu Malinari! Oder komme ich dir etwa in irgendeiner Form ... merkwürdig vor? Ist dem so?‹ Mit diesen Worten flog er näher zu mir hin und seine Gestalt wurde noch weniger

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