Nachtgesang
zerfetzten Unterarm ein. Als wir Bärenherz aßen, während unsere Flugkreaturen Blut tranken, erklärte er mir:
›Meine Wunde ist nicht tief und sie wird schnell verheilen. Er ist nicht mehr zu retten. Die Stärksten überleben. Du bist stark, Korath, und du hast eine schnelle Auffassungsgabe. Also wirst du überleben. Wenn du diese Bären nicht gesehen hättest, würdest du vielleicht nicht überleben. Denn ich möchte gern eine Weile hier bleiben, die Eisschlösser erkunden und Blut und Fleisch sind dabei mein Lebenselexir. Wenn nicht das Fleisch von Bären, was dann?‹ Seine roten Augen funkelten mich an.
Da ich ihn gut genug kannte, entschloss ich mich, nicht darauf zu antworten.
Also gingen wir auf Erkundungstour, und was wir dabei fanden ...!
›Korath‹, sagte mein Herr, als wir eine von Eis umhüllte Höhle betraten. ›Bevor ich die Große Macht in jenem Vulkan spürte – wenn es überhaupt ein aktiver Vulkan ist, denn ich kann mir vorstellen, dass der Rauch eher nicht natürlich, sondern künstlich ist – da spürte ich weniger starke Gedanken, verträumtere Gedanken aus der gefrorenen Höhle. Aye, und aus anderen nah und fern. Wer, frage ich mich, schläft an einem solchen Ort?‹
Wir sollten es bald herausfinden.
Im Eis eingeschlossen fanden wir die Reste eines einstigen Wamphyri-Lords, wo er sich selbst festgefroren hatte – er war komplett umhüllt, gar begraben von durchsichtigem Eis! Er war verschrumpelt; seine Haut weiß wie Schnee und ihre tiefen Furchen sahen aus wie seltsam blasse Egel. So wussten wir, dass er schon seit geraumer Zeit dort sein musste. Aber seltsamerweise standen seine Augen offen, wenn sie auch noch so glasig aussahen.
›Hier haben wir einen dieser Träumer‹, bemerkte Malinari und auch seine Stimme war in dieser kalten, hallenden Kammer leiser als sonst. ›Nur, dass er nicht träumt, sondern einen Albtraum durchlebt.‹
›Ein Träumer, Herr?, fragte ich. ›Aber er ist doch sicherlich tot?‹
›Was?‹ Er hob eine Augenbraue zornig in die Höhe. ›Wo ist dein Glaube, Korath? Ist es wahrscheinlich, dass Nephran Malinari sich irrt? Und nebenbei bemerkt, wo ist dein Glaube an die Wamphyri, an ihre Hartnäckigkeit, ihre Langlebigkeit? Ich habe seine Gedanken gehört, das sage ich dir – und seine Furcht gespürt! Nein, er ist nicht tot. Jetzt schau mal hier.‹
Ich schaute dorthin, wo er hindeutete.
Der uralte Vampir saß hinter einer vier bis fünf Meter dicken Eisschicht. Aber auf Höhe seiner Rippen war eine Reihe von Löchern mit Durchmesser von fünf bis acht Zentimetern, die zu einem Drittel in seinen Körper hineingebohrt worden waren. Auf dem Boden waren Eissplitter in kleinen Haufen direkt unter den Löchern aufgeschichtet worden.
Malinari sagte: ›Ich denke, wir brauchen uns nicht wundern über das Entsetzen, das sich in seinem Gesicht abzeichnet. Etwas war hier sehr beschäftigt und hat sein Bestes getan, an ihn heranzukommen! Aber dieses Eis ist Jahrhunderte alt und hart wie Stein und er hat seinen Schlupfwinkel gut ausgesucht. Wenn es Zeit für uns ist, uns einzufrieren – wenn unsere Nahrung aufgebraucht ist – müssen wir dasselbe tun ...‹
›Zeit ... uns einzufrieren?‹, wiederholte ich seine Worte.
Er sah mich an. ›An diesem kalten Ort ist das der einzige Weg, die Jahrhunderte zu überdauern. Wie der hier, vergraben wir uns im Eis. Aber zunächst sollten wir von hier verschwinden und etwas Abstand schaffen.‹
Wie ein Idiot ahmte ich ihn wieder nach: ›Abstand?‹
Aber er nickte nur gedankenverloren und fuhr fort: ›Zwischen uns und Shaitan, aye. Vor 1.000 oder noch mehr Jahren wurde er hierher verbannt und lebt nun in diesem Feuerberg. Andere Vampire, wie dieser hier, die vorher oder seitdem kamen, haben ihren eigenen Weg gefunden, um die Jahre zu überdauern: Sie schlafen im Eis. Aber Shaitan ist wach! Zweifelst du daran, dass es eine seiner Kreaturen war, die hier gebohrt hat? Nun, er hat die Wärme und den Schutz des Berges und verteidigt sie ohne Zweifel mit Bestien wie denen, die das hier getan haben. Und hier sind wir und leiden Hunger, haben nur noch einen Krieger, von dem wir uns ernähren können. Also bleibt uns nur das Eis, sei dir dessen sicher. Aber nicht hier, nicht so nah an Shaitans Feuerberg.‹
Woraufhin wir zu den Bären zurückkehrten und ihre ausgesaugten Kadaver auf unsere Flugkreaturen luden und dann zurück zu unserem Treffpunkt mit Vavara und Szwartz flogen ...
Malinari erzählte seinen Gefährten,
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