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Nachtgesang

Nachtgesang

Titel: Nachtgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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brauchen Sie keine Angst haben. Aber ich verstehe Ihre Beunruhigung. Es muss sehr anstrengend sein, ein Auge auf jemanden wie Gustav Turchin haben zu müssen. Ein zwielichtiger Knabe, stimmt’s?«
    Jetzt trug Mr. Brown etwas zu dick auf. »Wie war das?«, fragte der tonangebende Mann im grauen Anzug steif. »Sagten Sie zwielichtig? Dass wir ein Auge auf ihn haben müssen? Hören Sie mir mal gut zu, Mister ...«
    »... Nun, das ist es aber doch, was Sie tun, oder?«, unterbrach ihn Brown. »Wie lang seid ihr denn jetzt schon Spezialagenten – oder ehemaliger KGB – oder wie auch immer ihr euch jetzt nennt?«
    Plötzlich waren die vier zugeknöpft und musterten einander finster. Der Mundwinkel des Ober-Bodyguards zuckte und seine Augen waren wie schwarze Murmeln, als er mit Nachdruck erwiderte: »Wir sind – ah, sollen wir sagen Spezialisten? – viel länger Spezialisten gewesen als Sie, Mr. Brown, Chauffeur sind!«
    Brown sah nach hinten, grinste und schaltete dann die Gegensprechanlage aus ...
    Auf der Straße, die vom Flughafen wegführte, stieg Trask aus dem vorderen Teil der Limousine und setzte sich hinten zu Turchin. Sie schüttelten einander die Hand und Turchin umarmte ihn in typisch russischer Manier. »Seltsam, dass wir uns bisher noch nie persönlich begegnet sind«, sagte Turchin dann. »Und doch kommt es mir vor, als würde ich Sie kennen.«
    »Eine Art Seelenverwandtschaft vielleicht?«, erwiderte Trask. »Hören Sie, es tut mir leid, dass ich zu diesem Trick greifen musste, aber Ihre Freunde ...«
    »Das sind keine Freunde!«, unterbrach ihn Turchin. »Eigentlich sind sie nur dafür da, sicherzustellen, dass ich keine Bemerkungen mache, die fehl am Platz sind. Aber bevor Sie fragen ... Ja, ich weiß von den verabscheuungswürdigen und zerstörerischen Aktivitäten unserer Streitkräfte. Sie sind wie Hunde, die den Garten anderer verdrecken. Aber Trask, Sie müssen verstehen: Ich bin nicht derjenige, der diese Hunde von der Leine gelassen hat. Im heutigen Russland, mein Freund, streunen sie wild. Ich kann mich glücklich schätzen, das bisschen Macht, das ich habe, noch zu besitzen. Wenn ich bei dieser Konferenz alles erzählen würde, was ich weiß, würde ich auch das noch verlieren und unsere momentan gespannten Beziehungen zwischen Ost und West würden noch ein bisschen mehr den Bach runtergehen.«
    Trask nickte. »Ich verstehe und es ist fast genauso, wie ich es mir dachte. Aber Premierminister, Sie müssen mir das nicht erklären, zumindest nichts zu dem Thema. Und ich weiß, dass Sie es während der Konferenz nicht erklären können – nicht dürfen. Also, warum sind Sie hier?« Er schwieg, wollte den anderen weiterreden lassen. Vielleicht würde er so mehr herausfinden.
    »Wie viel Zeit haben wir?«, wollte Turchin wissen.
    »Die Fahrer nehmen die Aussichtsstraße«, erklärte ihm Trask. »Ich habe um mindestens eine halbe, höchstens eine ganze Stunde gebeten. Wir könnten in 20 Minuten in Ihrem Hotel sein, aber ich war mir nicht im Klaren, ob Sie dort genug Privatsphäre haben.«
    »Eine halbe Stunde?«, Turchin nickte. »Gut. Ich bin sicher, das reicht, aber lassen Sie uns fortfahren. Und was meine Privatsphäre später anbelangt – pah! «
    »Meine Schuld!«, sagte Trask. »Ich hätte subtiler sein müssen. Ich wollte Sie nicht brüskieren, aber ich hatte schlicht und ergreifend nicht die Zeit, andere Vorkehrungen zu treffen.«
    »Nein!«, Turchin schüttelte den Kopf. »So ist es nun einmal. Ich habe mich bei gewissen Leuten unbeliebt gemacht. Wenn ein Land reich und mächtig ist und sein Volk wohlgenährt, dann kann es sich der Mann an der Spitze vielleicht leisten unbeliebt zu sein und sein Ding durchzuziehen. Ich, ich kann mir nicht leisten, irgendetwas so zu tun, wie ich es gern hätte! Der einzige Grund, weshalb ich weitermache, ist die Hoffnung, dass sich die Dinge ändern werden. Aber das kann dauern.«
    Trask hatte den russischen Premier beobachtet. Er war überhaupt nicht der Mann, den er kennengelernt hatte. Obwohl Trask ihn nur in Nachrichtensendungen oder auf dem Bildschirm in der Zentrale des E-Dezernats gesehen hatte, war es ihm doch vorgekommen, als strahle der Staatsmann viel mehr Macht aus als jetzt. Trasks Gedächtnis rief eine Erinnerung an eine Begebenheit hervor, die fünf Jahre zurücklag, als er am Tor von Perchorsk mit demselben Mann eine Vorgehensweise ausgehandelt hatte:
    Damals schien Gustav Turchin unerschütterlich. Er war wie ein Fels in der Brandung.

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