Nachtgesang
sich die Schuld in die Schuhe schieben würde und Castellano versuchte ihn im Gefängnis von Turin umzubringen. Das reicht. Es würde mir auch reichen.«
»Und dennoch bist du immer noch hart zu ihm. Du bist in Gedanken hart zu ihm.«
Doch der andere schüttete den Kopf. »Er ist hart sich selbst gegenüber. Aber lass es jetzt gut sein. Und lass uns hoffen, dass Turchin etwas findet.«
Sie hörten Schritte auf der Kies-Einfahrt und schauten zum Haus hinüber.
Es war der Hellseher Ian Goodly. Er kam in seinem gewöhnlichen, leichten Trab – und zog auch wieder sein langes Gesicht –, für die ganze Welt ein leichenblasser Bestatter. »Frischer Kaffee ist fertig«, piepste er in seiner gewöhnlichen, hohen Tonlage. »Habe ich gehört, dass jemand Turchin erwähnt hat?«
»Was ist mit ihm?«, erkundigte sich Trask.
»Er war in den Morgennachrichten«, antwortete der Seher. »Er wird heute Morgen an einigen der Konferenzsitzungen teilnehmen, aber heute Nacht ist er fertig und morgen auf dem Weg zurück nach Moskau.«
»Was?«, fragte Trask stirnrunzelnd. »Moskau ist der letzte Ort, an dem er jetzt sein möchte. Was ist passiert?«
»Eine Schlägerei, wie es aussieht«, berichtete Goodly. »Gestern Nacht in Turchins Hotelbar. Ein australischer Delegierter betrank sich, beschuldigte den Premierminister unverblümt, dass er bezüglich Russlands umweltfreundlicher Politik log, und nannte ihn dann eine Marionette für seine Herren in der Industrie und im Militär zu Hause.«
»Da hat er den Nagel auf den Kopf getroffen«, nickte Trask. »Das ist in erster Linie so, weil dem Premier keine andere Wahl bleibt. Was noch?«
»Turchin bekam ein Getränk ins Gesicht geschmissen, bevor seine Bodyguards eingriffen und ihre Muskeln spielen ließen. Das Ende vom Lied ist, dass er heute sprechen wird – über die Einstellung Russlands zum Umweltschutz referieren, über seine Behandlung protestieren wird und was weiß ich – und morgen das erste Flugzeug zurück nimmt. Heute Nacht, wenn er eines bekommen kann.«
Trask strich sich übers Kinn, während er den Gedanken verarbeitete: »Das klingt für mich nicht nach Gustav Turchin«, sagte er. »Lange bevor er Premierminister wurde, war er Diplomat und konnte sich aus jeder Situation herauswinden. Etwas wie das passiert schon mal ... Ich sehe einfach nur nicht, dass er zulässt, dass so etwas passiert.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn er nicht wollte, dass es passiert. Und in dem Fall ... ist es ein Täuschungsmanöver.«
»Ein Täuschungsmanöver?« Goodly sah überrascht drein.
»Eine Ausrede für ihn, von hier wegzukommen«, sagte Trask. »Er muss einige Dinge in Moskau in die Wege leiten. Ich habe eine Abmachung mit ihm, habe ihm ein, zwei Probleme gegeben, die er für uns lösen soll. Es kann sein, dass der einzige Weg für ihn daran zu arbeiten ist, dass er nach Russland zurückkehrt. Gibt es nicht noch eine weitere Klimakonferenz, die in nur wenigen Tagen in Oslo beginnt? Saurer Regen oder so was? Ich könnte wetten, dass das sein nächster Halt sein wird. Er ist ein Fuchs, dieser Gustav Turchin. Ich wette, er geht nach Haus, setzt ein paar Hebel in Bewegung und macht sich dann auf den Weg nach Oslo. Und natürlich wird er, wenn die restliche Welt versucht, ihn zu ächten, zu Hause eine Art Held bei seinen eigenen Leuten sein. Es ist eine zeitlich begrenzte Sache, aber sie sollte seine Feinde für eine Weile in Schach halten. Wie dem auch sei, was auch immer vor sich geht, ich wünsche ihm viel Glück. Gustav hat sich in der Vergangenheit für uns durchgeboxt und er wird es wahrscheinlich wieder tun. Ich erzähle dir später von unserem Gespräch.«
»Gustav?«, fragte Goodly. »Ihr redet euch mit Vornamen an?«
»Richtig«, antwortete Trask. »Man nennt das Entspannung , mein Freund. Und dann auch noch mit der Gegenseite. Nun, es ist nicht das erste Mal.«
»Erzähl mir mehr!«, bat Goodly mit großen Augen.
»Später!«, vertröstete ihn Trask, als sie sich auf den Rückweg zum Haus machten ...
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
GEDANKENSMOG!
Normalerweise waren Trasks Besprechungen eine ganz einfache Sache. Noch sprach er nicht vor versammelter Mannschaft – und er hatte nicht vor, seine private Übereinkunft mit Premier Gustav Turchin jemand anderem als dem engsten Kreis des E-Dezernates mitzuteilen –, aber bei dem momentanen Leerlauf musste er seine Leute auf Trab halten, sie auf den neusten Stand bringen und sie irgendwie beschäftigen. Während er
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