Nachtgesang
E-Dezernat arbeite, indem Sie eine verdammte Axt über meinen Kopf halten, jedes Mal, wenn ich meine Meinung äußere oder mich weigere zu kooperieren?«
Trask schüttelte den Kopf. »Das hat nichts damit zu tun. Der Sinn dieser Übung ist, Ihr Talent zu erforschen. Und was Ihre sogenannten ›Verbrechen‹ betrifft ... so ist das E-Dezernat der Meinung, dass es nicht viel gibt, für das Sie sich schämen müssten.«
Einen Moment lang stutzte Jake, dann sagte er: »Und was, wenn mich die Meinung dieses Dezernats einen Scheißdreck schert?«
»Die Meinung interessiert Sie aber«, meinte Trask. »Sie glauben an Gerechtigkeit, die sich in Ihrem Fall nicht von selbst einstellte. Deshalb haben Sie Ihre eigene Art, harte Gerechtigkeit walten zu lassen, und die war nun einmal etwas zu hart für unsere moderne Gesellschaft. Im E-Dezernat, Jake, verstehen wir etwas von gewaltsam erreichter Gerechtigkeit. Es ist manchmal das Einzige, was passt. Und wir wurden von einem Experten geschult, jemandem, der fast genauso wie Sie an das Auge-um-Auge-Prinzip glaubte. Nun, jetzt fragen wir uns, ob das die einzige Ähnlichkeit zwischen Ihnen beiden ist oder ob Ihr Talent etwas anderes ist. Und darüber hinaus haben Sie vielleicht noch andere Talente. Wir möchten diese Möglichkeit in Betracht ziehen – in der Tat jede Möglichkeit – und Sie können uns helfen oder uns hindern. Und wenn Sie uns hindern möchten ... werden wir irgendwann gezwungen sein, Sie aufzugeben. Es gibt ja schließlich noch eine leere Zelle, die auf Sie wartet, erinnern Sie sich?«
Jakes harte Schale wurde langsam weich. Nicht seine Entschlossenheit, sondern die eisige Hülle, die sie ummantelte und ohne die er mit seinen eigenen Gräueltaten nicht fertiggeworden wäre. Denn so sah er einige seiner vergangenen Aktionen, als Gräueltaten. Jeder andere schien zumindest auch so zu denken. Doch irgendwo in seinem Herzen glaubte Jake noch immer, dass das, was Ben Trask gesagt hatte, richtig war: Manchmal war Auge-um-Auge die einzige Möglichkeit. Und plötzlich stellte Jake fest, dass er auch alles andere glaubte, was Trask ihm erzählte. Dass das E-Dezernat sich wirklich etwas aus ihm machte und auf seiner Seite stand. Es war nur so lange her, seit überhaupt jemand auf seiner Seite gewesen war.
Und jetzt fragte Trask: »Können wir miteinander auskommen?«
Jake klappte einen der Stühle an der Wand nach unten, ließ sich hineinfallen und erwiderte: »Warum habe ich das Gefühl, dass das kein Schwindel ist? Sie sind, was man einen menschlichen Lügendetektor nennt, richtig? Nun, Mr. Trask, wenn Sie mich fragen, ich würde sagen, Ihr Talent funktioniert in beide Richtungen. Ich habe das Gefühl, dass Sie mir wirklich helfen wollen, wenn auch nur, damit ich Ihnen helfe ...«
Trask konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und sagte: »Jake, da haben Sie recht. Ich hasse Lügen und Lügner und ich weiß instinktiv, wenn etwas nicht wahr oder nicht richtig ist. Fragen Sie mich nicht wieso, ich weiß es einfach. Aber es ist genauso hart für mich selbst zu lügen wie eine Lüge zu hören. Ich dachte, das sollten Sie wissen.«
Jake nickte und fühlte sich jetzt etwas sicherer: »Okay, wenn Sie also denken, dass ... etwas mit mir nicht stimmt und Sie das Problem vielleicht lösen können, dann wäre ich wahrscheinlich ein Idiot, mich zu weigern.«
Trask lehnte sich zurück und seufzte hörbar. »Sehr gut. Aber Sie müssen etwas verstehen: Es ist nicht so, dass wir denken, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt, sondern dass etwas richtig sein könnte. Von unserem Standpunkt aus zumindest.«
Und dann wandte er sich wieder der Akte zu.
»Ihr Vater war Pilot bei der Air Force der Vereinigten Staaten«, begann Trask. »Als Neuling tat er seinen Dienst auf einem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Südengland. Da traf er Ihre Mutter, eine Engländerin aus einer wohlhabenden Familie. Janet Carsons Verwandte waren gegen die Liaison; sie heirateten trotzdem; eine Weile zog Janet der Truppe nach, lebte wo auch immer Joe stationiert wurde. Dann kamen Sie und halfen, eine oftmals recht stürmische Beziehung zu stabilisieren ... nun, zumindest eine Zeit lang. Aber die Ehe hielt nicht. Ihr Vater war zu oft unterwegs und Ihre Mutter ... suchte sich Liebhaber.« Trask hob seinen Blick aus der Akte und sah Jake an. »Wenn das zu persönlich ist, kann ich einen Teil überspringen ...«
»Ist schon in Ordnung«, meinte Jake achselzuckend. »Meine Eltern haben mir keine
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