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Nachtgesang

Nachtgesang

Titel: Nachtgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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mir immer wieder einzureden, dass sie tot war, denn das ist der einzige Weg für mich, es zu ertragen. Und egal was nun zutraf, ich hätte absolut nichts tun können. Ich war völlig entkräftet, fühlte mich selbst halb tot! Meine Lungen und meine Ohren platzten fast, so tief unten waren wir gewesen. Und ich trieb so unendlich langsam nach oben, während das Auto nach unten sank und in den Tiefen verschwand. Und das Mädchen, das ich liebte und immer noch liebe, Natascha, verschwand mit ihm ...«
    Dieses Mal dauerte es eine Weile, bevor Jake weitererzählen konnte. Er schien wie ein Mann, der jeglichen Bezug zur Realität verloren hatte; er zuckte zusammen und fuhr dann ruckartig hoch, als der alte Lidesci hustete. Dann drehte er den Kopf unsicher hin und her, als ob er sich fragte, wo er sei.
    »Geht es dir gut, Jake?«, fragte Liz ihn.
    Ein Nicken war die einzige Antwort, bis er schließlich fortfuhr:
    »Fragen Sie mich nicht, wie ich zurück nach Marseille kam. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. Aber ich kam irgendwie an und versteckte mich bei einem guten Freund. Zu der Zeit waren meine früheren Rachepläne wieder konkreter geworden. Aber bevor sie voll ausreifen konnten, überlegte ich mir sogar, zur Polizei zu gehen. Dann erinnerte ich mich an das, was Natascha mir gesagt hatte, nämlich, dass die Polizei von Castellano gekauft worden war, und entschied mich dagegen. Ich wollte warten und schauen, was passierte.
    Ich musste nicht lange warten. Es stand in den Zeitungen, zu Hause und im Ausland. Mein Auto war im Verdon gefunden worden, in der Nähe von Riez, wo der Fluss aus dem Departement Alpes-de-Haute-Provence fließt. Ortsansässige waren von einem Loch in der Wand einer Steinbrücke über einer reißenden Schlucht alarmiert worden. Natascha war immer noch im Auto und mit ihr eine große Anzahl illegaler Substanzen sowie weitere Beweise dafür, dass sie kein Unschuldslamm war. Und ich: Mit meiner Vergangenheit wäre ich ein gesuchter Krimineller gewesen – offensichtlich ihr Partner –, wenn man mich nicht für tot gehalten hätte.
    Aber ich war nicht tot. Und ich hatte jetzt absolut nichts mehr zu verlieren. Außerdem wusste ich einiges über Castellanos Leute, wo sie ihre Zeit verbrachten und mit wem, und ich hatte nicht vor, noch mehr Zeit zu verplempern ...
    Es gab etwas, worin ich während meiner Jahre beim SAS wirklich gut gewesen war: Sabotage. Sabotage, Bombenanschläge und Zerstörung. Und ich erinnere mich immer noch daran – ich halte die Erinnerung in Ehren – ,die Erinnerung an die Nacht, in der ich Jean Daniel allein in der unscheinbaren, kleinen Bar, die ich so gut kannte, fand. Ich war dort und beobachtete die Menschen, als er kam, und ich war noch da, als er ging.
    Es war eine regnerische Nacht. Als er in einer Gasse in sein Auto stieg, kam ich vielleicht 20 Meter vor ihm aus der Dunkelheit. Ich stand breitbeinig dort, wie ein einladendes Ziel, und winkte ihm. Und fing ganz langsam an, auf ihn zuzulaufen. Er sah mich, ich sah, wie er zurückschreckte, und ich wusste, dass er mich erkannt hatte. Dann drehte er den Zündschlüssel und ich weiß genau, was das Schwein in dem Moment dachte, nämlich, dass er mich überfahren wollte.
    Da hatte ich ihm schon den Rücken zugekehrt und Schutz gesucht, nur zur Sicherheit. Aber nein, es gab keine große Explosion; das bisschen, was an Scherben da war, flog über meinen Kopf hinweg. Dann stand ich auf, lief zu seinem Auto und schaute durch das zerbrochene Fenster. Ich wusste ziemlich genau, was ich sehen würde, denn ich war entschlossen gewesen, meine Arbeit möglichst gründlich zu tun. Und das hatte ich.
    Ich hatte eine kleine Eisensäge genommen und halb durch die vier Lenkradspeichen gesägt, nahe dem Mittelteil. Und ich hatte einen Wagnerschen Hammer an der hochexplosiven Ladung angebracht, die ich unter der Plastikverkleidung an der verstellbaren Lenksäule versteckte. Es war ein tierisch leicht reagierender Mechanismus, viel zu empfindlich, die Schwingungen eines beschleunigenden Motors zu ignorieren.
    Die Explosion hatte den Stahlteil der Lenksäule durch Jean Daniels Mitte getrieben und dabei die Plastikverkleidung weggerissen. Das Mittelstück hatte seine unteren Rippen gebrochen, sich durch seinen Magen gebohrt und auf dem Weg dorthin noch mehr Schaden angerichtet. Und doch war sein Rückgrat nicht durchtrennt worden. Er saß da – am Leben, aber kaum noch bei Bewusstsein – mit diesem fetten, zylindrischen

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