Nachtgesang

habe Neuigkeiten für dich: Dein Boss – unser Boss – kennt diese Antwort schon, ich habe sie ihm bestimmt schon ein Dutzend Mal gegeben. Verstehst du es nicht? Ich kann dir nichts erzählen, was ich nicht weiß.«
    »Dann erzähl mir, was du weißt!«, bat sie ihn.
    Wieder seufzte Jake, bevor er sich mit dem Unvermeidlichen abfand. Schließlich fuhr er fort: »Okay, es war folgendermaßen ...
    Als – oder besser, dort wo – ich aufwachte, sprachen alle um mich herum Englisch. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Aber ich hatte, oh, ein paar Vermutungen. Eine Endlosschleife, die sich in meinem Kopf abspielte. Vielleicht hatte man mich aufgrund der Verletzungen, die ich bei meinem gescheiterten Gefängnisausbruch erlitten hatte, doch nach England ausgeliefert. Aber welche Verletzungen? Obwohl ich auf dem Rücken lag und man ein Tuch und eine Decke über mich geworfen hatte, fühlte ich mich keineswegs verletzt. Auch war mir nicht bewusst, dass überhaupt Zeit verstrichen war; es fühlte sich an wie Zack ... Ich war in Turin und jetzt war ich hier. Also wenn das nicht das Gefängnis war, musste es logischerweise ein Ort in der Nähe von Turin sein.
    Und die Leute, Trask und Co – sie waren keine Gefängnisaufseher oder auch nur Ärzte. Wenn dieser Ort also ein Krankenhaus war, nun, dann war es kein gewöhnliches! Und sie stellten mir die ganze Zeit irgendwelche unsinnigen Fragen über meine Herkunft. ›Wer bist du?‹, wollten sie alle wissen. Pah! Wen wollten sie verarschen? Wenn sie nicht wussten, wer ich war, wer denn dann? Wer war ich? Aber die Frage, die ich mir selbst die ganze Zeit immer wieder stellte, war: Wer zum Teufel waren sie?
    Dann kam tatsächlich ein Arzt und untersuchte mich, und zwar gründlich, bevor er mich wieder aufstehen ließ. Ich war froh, dass ich anfangs nicht sprechen konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte. Das Erlebnis hatte mich stumm gemacht. Irgendwann wurde mir klar, dass sie tatsächlich keine Ahnung hatten, wer ich war. Warum sollte ich sie also aufklären?
    Ich schwieg weiter, erzählte ihnen nichts, machte kein einziges Mal den Mund auf.
    Aber Trask ... er merkte, dass ich nur Theater spielte. Von Anfang an konnte ich sehen, dass er mehr als neugierig war; ich war ihm auf eine positive Art suspekt. Und er hatte auch jedes Recht so zu fühlen; ich weiß jetzt, dass der Ort, an dem ich, äh, aufgetaucht war, ›Harrys Zimmer‹, für das Dezernat von großer Wichtigkeit ist. Darüber hinaus wusste Trask auch, dass ich log. Obwohl ich keinen Laut von mir gab, wusste er, dass ich die Wahrheit für mich behielt, dass ich etwas versteckte.
    Natürlich tat ich das! Wohin auch immer ich ›entkommen‹ war, alles war besser als dieses von Ungeziefer verseuchte Schlachthaus in Turin, aus dem ich geflüchtet war! Und ja, ich hatte schon beschlossen, dass ich, sobald diese seltsame Versammlung mir etwas Zeit für mich gab, auch von hier flüchten würde – wo auch immer ›hier‹ war!
    Am Ende sagte Trask, anstatt mich seltsame Sachen zu fragen und überhaupt keine Antworten darauf zu erhalten: ›Sie befinden sich im Hauptquartier eines Regierungsdezernats, einem sehr abgeschotteten Ort, Mr. ... wer auch immer Sie sind. Sie sollten nicht hier sein und die Strafe für unbefugtes Betreten ist ziemlich schlimm. Aber ich habe wirkliches Interesse an Ihnen, an der Art, wie Sie hier hereinkamen – besonders wo Sie ankamen – und ich hätte gern ein paar Erklärungen von Ihnen. Wenn Sie nicht reden, muss ich davon ausgehen, dass Sie ein gewöhnlicher Verbrecher sind, und Sie auch so behandeln ...‹
    Aber dann zeigte sich ein bestimmter Blick auf seinem Gesicht, als ob sich ihm plötzlich die Wahrheit offenbart hätte – vielleicht eine Wahrheit, die nicht einmal ich kannte – und er fuhr schnell fort: ›Oder vielleicht ein sehr un gewöhnlicher Verbrecher? In dem Fall könnten wir vielleicht etwas erreichen.‹
    Einige von Trasks Leuten hatten Pistolen, weshalb ein Ausbruch nicht Erfolg versprechend erschien, zumindest nicht sofort. Also musste ich einfach mitspielen.
    Schließlich wurde ich in die Einsatzzentrale des Hauptquartiers geführt.« Jake schaute Liz an. »Kennst du sie? Ich gehe davon aus, dass du schon einmal dort gewesen bist.«
    Er wartete auf ein bestätigendes Nicken, ein Wort, das ihre eigenen Gefühle preisgab, als sie zum ersten Mal in der Zentrale gewesen war. »Der Hammer ...«
    »Ja, der Hammer!«, stimmte er ihr zu. »Ich weiß nicht viel von den