Nachtgesang
Geistern, aber das E-Dezernat hat sicherlich die Geräte! Wie dem auch sei, sobald wir den Raum betraten – bevor mich jemand davon abhalten konnte –, trat ich an ein Fenster und zog die Fensterläden auseinander. Es war Nacht, aber die Straßen waren gut beleuchtet. Es war eindeutig, wo ich war; der bloße Anblick ließ mich schwindeln. Dieser Anblick, diese Stadt. Unmöglich, aber es war Westminster! London! Ich war mitten in London, gottverdammt!
Trask packte mich, schaute mich mit seinen allwissenden Augen an und sagte: ›Überraschung! Wo dachten Sie denn, dass Sie sind, Mr. Nobody?‹
Inzwischen waren schon viele andere dazugekommen. Sie hatten alles wieder in Betrieb genommen, und das mitten in der Nacht. Meine Anwesenheit war für sie ein großer Schock, vielleicht sogar ein größerer als für mich. Aber sie mussten gute Vorkehrungen für Notfälle haben; der Ort war innerhalb kürzester Zeit voll funktionsfähig. Und all diese Männer und Frauen mit weit aufgerissenen Augen, flüsternd, neugierig ... vielleicht sogar von Ehrfurcht ergriffen? Aber warum? Was war an mir so Besonderes?
Jedenfalls passierte um mich herum einiges.
›Gefängniskleidung‹, sagte Trask. ›Vom europäischen Festland, würde ich tippen. Also gut, nehmt Fingerabdrücke, macht Fotos von ihm – sofort. Stellt dann eine Verbindung zu Interpol her, schaut, ob wir einen Treffer landen. Aber lasst uns nicht zu euphorisch werden, noch nicht. Lasst uns nicht das Undenkbare oder das Unglaubliche denken. Überprüft das Sicherheitssystem und schaut, ob tatsächlich ein Einbruch stattgefunden hat. Und kontrolliert alle Tore und Fenster und den Aufzug. Und dann holt mir den diensthabenden Beamten. Hat er nicht gesagt, dass er nicht in Harrys Zimmer kommen konnte, weil die Tür abgeschlossen war? Warum sollte Mr. Nobody hier erst einbrechen und sich dann einschließen? Und wie konnte er das überhaupt ohne den Schlüssel ... wenn wir davon ausgehen, dass er überhaupt eingebrochen ist?‹
Trask sagte all das, vermutlich sogar in genau diesen Worten. Und er sagte wahrscheinlich noch viel mehr, woran ich mich nicht mehr erinnere, bevor er seine Rede beendete: ›Antworten, Leute, ich will alle Antworten, und zwar noch heute Nacht ...‹
Als zwei neue Agenten in der Zentrale ankamen, hatte man bereits meine Fingerabdrücke genommen und mich fotografiert. Trask begrüßte sie folgendermaßen: ›Aktuelles Zeitgeschehen und Zukunftsgeschehen. Aber nicht zu früh, ihr beiden.‹«
Liz nickte: »Millicent Cleary und Ian Goodly. Millicent ist eine Telepathin, aber sie ist auch Expertin für das politische Zeitgeschehen. Sie hat ein sehr gutes Gedächtnis. Wenn du wissen willst, was in den letzten zehn Jahren vor sich gegangen ist, frag Millicent. Und Ian Goodly ...«
»... ein Seher«, sagte Jake. »Ja, das weiß ich jetzt. Aber damals – ich wurde nicht schlau aus ihrem Gespräch. Trask wollte wissen, weshalb Goodly nichts ›gesehen‹ hatte und fragte die Frau, ob sie etwas ›empfing‹. So sprach er mit allen um sich herum. Es schien mir alles sehr esoterisch!«
»ESPer sprechen fast schon eine andere Sprache«, bemerkte Liz. »Man braucht eine Weile, um sich daran zu gewöhnen.«
»Jedenfalls konnte Ian Goodly sich seinen Lapsus nicht erklären. Und die Frau, Millicent Cleary. Sie starrte mich mit intensivem Blick an, runzelte die Stirn und sagte, dass es einige Verwirrungen gab. Und da hatte sie verdammt recht!«
»Die Verwirrung war in dir«, meinte Liz.
»Wenn ich jetzt daran zurückdenke, merke ich, dass du absolut recht hast«, sagte er. Und dann nach einem Moment: »Zu dem Zeitpunkt waren schon alle Wandbildschirme angeschaltet und liefen – Leute, die meine Bilder bearbeiteten und Maschinen damit fütterten, Computertastaturen, die klack, klack, klackerten –, aber ich stand zumindest nicht mehr ganz so im Mittelpunkt. Ich sah meine Chance, schnappte mir die Pistole von einem Mann, der für eine Sekunde abgelenkt war, und nahm Goodly als Geisel. Ich hielt die Pistole an seinen Hals, seine Arme waren auf seinem Rücken.
Einen Moment dachte ich, dass Trask und die anderen sich auf mich stürzen würden. Aber dann sagte Goodly: ›Es ist okay, Ben. Alles wird gut werden. Lass uns einfach gehen und du kannst dir sicher sein, dass wir zurückkommen werden.‹
Ich fragte ihn: ›Würden Sie dafür Ihr Leben verwetten?‹, aber jetzt ... bin ich sicher, dass ich kein Risiko eingegangen wäre! Kurz und gut: Ich schaffte
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