Nachtgesang
Goodly hinaus und in den Aufzug. Er benutzte seine Karte ohne jegliche Diskussion. Dann waren wir auf der Straße. Und da drehte er den Spieß um. Wie? Nun, vermutlich sah er in die Zukunft, wusste, dass ich ihn nicht erschießen würde. Oder vielleicht sah er, dass ich es nicht konnte?
Jedenfalls wirbelte er herum, um mich anzuschauen, packte die Pistole und fing an, mit mir darum zu ringen. Darauf war ich gar nicht vorbereitet ... ich ließ das Ding einfach los! Fakt ist, ich hätte ihn sowieso nicht erschießen können, nicht einen unschuldigen Mann. Aber ich konnte dasselbe nicht von ihm behaupten, richtig? Und da war er, in der Hocke, und zielte auf mich!«
Das Fahrzeug fuhr mit dem vorderen Teil zuerst einen Abhang hinunter. Als sie um eine leichte Kurve bogen, sah Jake die Lagerfeuer und betätigte die Bremse. Ein Mann trat auf den bröckeligen Asphalt und signalisierte, dass sie den Wagen auf einem improvisierten Parkplatz neben der Straße abstellen sollten.
Als sie anhielten, blieb Liz still sitzen und sagte: »Bring die Geschichte zu Ende.«
Und Jake dachte: Warum nicht? Außer, dass es nichts mehr zu erzählen gibt! Oder wenn es etwas gab, dann konnte er es beim besten Willen nicht erklären. Aber er konnte es zumindest versuchen.
»Sie ist schon vorbei«, sagte er. »Als ich dachte, dass Goodly mich erschießen würde, brachte ich mich in Deckung. Ich wusste, dass ich mich in Sicherheit brachte ... aber das war nicht möglich. Wie konnte ich mich in Deckung, in Sicherheit bringen, dort mitten auf der Straße?«
»Konntest du nicht«, sagte sie.
»Nein«, antwortete Jake mit rauer Stimme, blass im flackernden Feuerschein. »Nein, konnte ich nicht. Nicht dort auf der Straße. Aber es war nicht ich, der auf die drohende Gefahr reagierte, Liz. Nicht ich, sondern jemand in meinem Kopf. Jemand oder etwas, der dachte, ich sei sicherer ... dachte, dass ich sicherer wäre ...«
Liz, die seine Gedanken klar vor sich sah, kam ihm zu Hilfe und brachte den Satz für ihn zu Ende: »... dass du viel sicherer wärst dort drinnen, in Harrys Zimmer, ja«, seufzte sie.
Er schüttelte den Kopf, runzelte die Stirn und fragte: »Aber sicher vor was? Vor Goodly, der nicht einmal vorhatte, mich zu verletzen?«
Sie antwortete nicht, sondern dachte: Nein, einfach sicher. Punkt. Vielleicht hatte Ian Goodlys Pistole das Ding nicht einmal ausgelöst; vielleicht hatte es einfach Jake nicht auf sich allein gestellt dort auf der Straße gewollt. Warum auch immer, das Ding war ihm zu dem Zeitpunkt neu gewesen. Es besaß noch sehr viel Macht über ihn – und hatte ihn erst kürzlich gefunden – und wollte ihn nicht entkommen lassen. Nicht, ohne ihn erst zu untersuchen, nicht, bis Jake sein Potenzial, seine Möglichkeiten ausgeschöpft hatte.
Das waren Liz’ Gedanken. Aber Jake brachte sie in die Wirklichkeit zurück:
»Wir sind da!«, sagte er. »Wollen wir etwa die ganze Nacht hier sitzen bleiben? Ich zumindest hätte nichts gegen eine Tasse Kaffee und etwas zu essen ...«
KAPITEL SIEBEN
MEHR GEISTER UND GERÄTE
Als Liz und Jake aus dem Wagen stiegen, kam Trask zu ihnen und schaute nach Schäden am Fahrzeug: ein paar Kratzer am Lack, einige kleine Dellen in der Motorhaube und natürlich die fehlende Windschutzscheibe.
»Hat sich da jemand vor Ort darum gekümmert?«
Liz wusste, was ihn beunruhigte: nicht der Schaden selbst, sondern seine Entstehung und die potenzielle Kontaminierung, die schon an dem anderen, ereignisreichen Ort hätte eintreten können. Sie nickte. »Direkt an der Tankstelle der Alten Mine. Ein Team hat den Wagen eingesprüht und das Chaos beseitigt.«
»Ich mache mir nur etwas Sorgen, das ist alles«, erklärte Trask. »Aber da ich einige der Maßnahmen gesehen habe, die die Traveller auf der Sonnseite ergreifen, ist das, glaube ich, ganz natürlich.« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht ... vielleicht bin ich zu vorsichtig.« Jakes Gehirn registrierte die Bemerkung über die Sonnseite, aber er gewöhnte sich allmählich an derlei Aussagen.
»Ich habe nicht mitbekommen, dass Sie persönlich besonders auf sich geachtet hätten«, bemerkte Jake an Trask gewandt. »Da hinten, meine ich. Sie und der alte Mann, Lardis. Es war, als ob Ihnen alles scheißegal wäre! Keine Nasenstöpsel oder Kampfanzüge. Keine Gasmasken. Keine Vorsichtsmaßnahmen.«
Trask betrachtete sein Gegenüber. »Zweierlei Maß? Ist es das, was Sie andeuten? Tut, was ich euch sage, aber nicht, was ich euch vormache? Nicht
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