Nachtgespenster
hier?«
Janine Helder ließ sich Zeit mit der Antwort. Versonnen blickte sie aus dem Fenster. »Ja, auch hier«, gab sie zu. »Es gibt hier ein Problem oder ein Phänomen. Ich habe dich nicht ganz uneigennützig gebeten, mich zu besuchen, John.«
Wir näherten uns, allerdings mit fast noch verschlossenen Visieren. Ich stellte meine Frage. »Ist dieses Problem konkret? Hat es vielleicht einen Namen?«
Wieder baute sich eine Steilfalte auf Janines Stirn auf. »Darf ich fragen, wie du darauf kommst?«
Ich spekulierte jetzt mit meiner Antwort, als ich sagte: »Es könnte sein, daß ich diesem Problem begegnet bin. Es hört auf den Namen Doreen La Monte.«
Janine schwieg. Dieses Schweigen war für mich Antwort und Erklärung genug. Ich hatte ins Schwarze getroffen. Doreen La Monte war ihr bekannt. Es mußte ein Problem sein. Es machte sie leicht nervös, wie ich an ihrem schnellen Augenzwinkern erkannte.
»Habe ich recht?«
»Das hast du, John«, gab sie zu.
»Dann hast du mich auch ihretwegen geholt?«
Sie sah aus wie eine ertappte Sünderin, als sie mir zunickte. »Ja, das ist so gewesen.«
»Kennst du sie näher?«
»Tja«, murmelte sie vor sich hin. »Was heißt, näher kennen? Ich bin ihr begegnet und mußte mit ansehen, wie eine so junge Frau wie sie in tiefer Trauer erstickte. Sie hat ein Problem, John.«
»Ist mir bekannt. Sie will sterben oder erlöst werden, wie man es nimmt.«
»Bitte?« Janine trank schnell einen Schluck Bier. »Ich denke, daß du mir das erklären könntest.«
»Sie bat mich, sie umzubringen.« Ich war jetzt deutlicher geworden und erlebte die Starre in Janines Gesicht, die der Schock hinterlassen hatte. »Hast du das nicht gewußt?« fragte ich weiter.
»Nein, nicht so direkt«, gab sie zu. »Doreen war schon komisch. Sie konnte sich selbst nicht richtig einordnen. Sie fühlte sich zwischen den Fronten stehend. Auf der Grenze zwischen zwei Welten, ohne genau zu wissen, in welche sie hineingehörte. Das mag sich komisch anhören, aber ich sah es so.«
»Sicherlich zu Recht, Janine.«
»Meinst du?«
»Nachdem, was sie von mir verlangt hat, schon.«
Janine Helder sagte: »Das ist mir alles zuwenig, John. Du mußt schon genauer werden. Du hast sie ja getroffen. Was hast du herausfinden können? Du stimmst mir doch nicht nur zu, weil du zu essen und zu trinken bekommen hast.«
»Das sicherlich nicht, Janine. Es gibt da schon entscheidende Unterschiede.« Ich berichtete ihr jetzt, wo ich sie getroffen hatte. Die Pointe aber hob ich mir bis zum Schluß auf. »Wir standen zusammen am Ufer eines kleines Teichs, dessen Oberfläche spiegelblank war. Mein Spiegelbild malte sich dort schwach ab, bedingt durch den Mondschein. Doreens Spiegelbild aber nicht. Weißt du, Janine, was das nur bedeuten kann?«
»Ja.«
Sie hatte mit einer Selbstverständlichkeit geantwortet, die mich verwunderte. Ebenso selbstverständlich sprach sie auch weiter. »Doreen La Monte ist ein Vampir…«
***
Diesmal lag es an mir, zu staunen. Ich strich über mein Kinn, atmete nur durch die Nase und hielt mich ansonsten zurück. Die etwas angespannten Gesichtszüge der Janine Helder wurden weicher, als sie mich anlächelte. »Tu nicht so überrascht, John. Ich habe dir vorhin erzählt, daß ich ein Mensch bin, der hinter die Dinge schaut. Ich will mich nicht selbst herausstellen, dazu habe ich kein Recht, aber ich möchte dir schon sagen, daß ich an gewisse Dinge glaube, die von den meisten Menschen abgelehnt werden. Dazu gehören auch Vampire. Ja, John Sinclair, es gibt eben die anderen Welten und Kreise.«
»Deshalb hast du mich auch hergeholt, nicht wahr?«
»Ich gebe es zu. Und es kam mir gelegen, daß ich früher deinen Vater kannte.«
Jetzt konnte ich das Lachen nicht mehr unterdrücken. »Ja, dabei dachte ich, mehr über meinen Vater zu erfahren. Um seine Person herum gibt es noch immer ein Geheimnis, das ich für mein Leben gern gelüftet hätte. Ich sah durch den Besuch bei dir Licht am Ende des Tunnels. Nur habe ich mich wohl geirrt.«
»Leider. Ich hätte dir gern mehr gesagt.«
»Das glaube ich dir.« Ich hob die Schultern und preßte für einen Moment die Lippen zusammen. »Dann werde ich wohl weiterhin danach suchen und auf einen günstigen Wink des Schicksals warten müssen. Man kann gewisse Dinge eben nicht herbeizwingen, das ist nun mal so im richtigen Leben.«
»Sehr gut, John, daß du damit deinen persönlichen Fall abgeschlossen hast. Es bleibt eben nur noch einer. Doreen La Monte.
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