Nachtgespenster
leise und wischte den Schweiß von der Stirn. »Ja«, gab sie zu. »Der Vater existiert leider noch. Ihn gibt es.«
»Also läuft hier noch ein echter Vampir herum?«
»Wenn du so willst, ja.«
Ich dachte sofort an die Gefahr, die damit verbunden war. »Vampire brauchen Blut, um überleben zu können. Da wird auch der Earl of La Monte keine Ausnahme machen. Ich denke daran, daß sich die Gefahr potenzieren kann. Wer von einem Vampir angefallen wird, verwandelt sich ebenfalls in einen solchen.«
»So lautet die Regel, John.«
»Ist sie hier durchbrochen worden?«
Janine Helder zuckte mit den Schultern. »Ich kann dir keine genaue Antwort geben. Alles ist zu schwammig. Aber man spricht davon, daß dieses alte Schloß der La Montes eine Rolle spielte. Es ist ein verfluchter oder verwunschener Ort. Dort treffen sich die Nachtgespenster…«
Mir war die Gänsehaut nicht verborgen geblieben, die sich auf Janines Haut abzeichnete. Auch mir rann ein Schauer über den Rücken. Gespenster der Nacht. Ja, das paßte. Auch so konnte man die Vampire bezeichnen. Wesen, die sich in der Dunkelheit trafen und erst dort richtig aufblühten. Um Mitternacht und bei Vollmond krochen sie aus ihren Verstecken, um den bleichen Reigen zu tanzen.
»Nachtgespenster«, wiederholte ich. »Eine wirklich treffende Bezeichnung für diese Brut.«
»Das finde ich auch.«
»Hast du von ihnen nur gehört? Oder hast du sie schon gesehen, Janine?«
»Nur gehört, John.«
»Aber du gehst davon aus, daß es Vampire sind?«
»Das schon.«
»Normale?«
»Was meinst du damit?«
»Gespenster sind oft Geister.« Ich hob die Schultern. »Möglicherweise befinden sie sich in einem geisterhaften Zustand, in einem feinstofflichen.«
»Hast du das schon einmal erlebt?«
»Nein, noch nie, Janine. Von irgendwelchen Vampir-Geistern oder Vampir-Gespenstern habe ich bisher noch nichts gehört. Das ist selbst mir neu wie so einiges hier.«
»Du wirst damit fertig werden, John.« Sie streckte eine Hand aus und legte sie auf meine Finger.
»Ich? Du bist gut, Janine. Du rechnest also damit, daß ich das Rätsel der Nachtgespenster lösen werde?«
»Genau das habe ich gemeint. Und nicht nur das Rätsel. Auch Doreen muß erlöst werden.«
»Durch den Tod, wie sie es sich gewünscht hat?«
Sie zog die Hand wieder zurück. »Das weiß ich nicht, John. Nicht unbedingt. Möglicherweise gibt es noch eine Alternative.«
»Die Doreen selbst allerdings nicht sieht. Sie hat sich durch meine Hand den Tod gewünscht.«
»Das sagst du. Aber ist alles richtig, was sich die Menschen wünschen?«
»Das möchte ich nicht beurteilen, Janine. Jedenfalls hast du erreicht, was du wolltest. Ich werde mich um dieses Phänomen kümmern. Ich will ja selbst unter allen Umständen herausfinden, was daran ist. Vampir-Geister oder Vampir-Gespenster, das ist ein Phänomen, mit dem ich nicht zurechtkomme.«
»Ich habe dich richtig eingeschätzt!« Sie hatte den Satz mit einem satten Lächeln gesagt.
»Wie meinst du?«
Janine deutete zur Decke.
»Dort oben ist das Gästezimmer bereits für dich gerichtet.«
»Sehr schlau, wirklich.«
»Nur vorausschauend.«
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Es war verdammt spät geworden. Eine Minute nach Mitternacht. Als hätte ich Janine Helder einen Hinweis gegeben, gähnt sie.
»Dann werde ich mal meine Tasche aus dem Wagen holen und mich hinlegen.«
»Ja, ich mache mich auch lang.«
Zugleich standen wir auf. Auch jetzt kam ich nicht damit zurecht, daß es nicht mehr um meinen Vater ging, sondern um einen ganz anderen Fall. Mein alter Herr war nur als Aufhänger genommen worden. So konnte man auch jemand an ein gewisses Problem heranführen.
»Ich gehe schon mal vor in dein Zimmer, John. Du mußt nur die Treppe hochgehen.«
»Okay, bis gleich.«
Vor der Küche trennten wir uns. Janine ging nach rechts weg, ich nahm die linke Seite, und noch immer mit dem Kopf voller Gedanken. Ich stand erst am Anfang. Die Zukunft würde erweisen, ob Janine und ich in allen Belangen recht hatten.
Jetzt war ich nicht nur auf Doreen La Monte gespannt, sondern auch auf deren Nachtgespenster…
***
Die kühle Luft draußen tat mir gut. Obwohl der Himmel wolkenlos war und auch weiterhin wie eine Bühnendekoration wirkte, lag eine gewisse Feuchtigkeit in der Umgebung. So hatten sich dünne Dunstschwaden gebildet, die sich träge in der Umgebung bewegten, aber noch weiter vom Haus entfernt krochen sie über die Wiesen hinweg, als wäre jemand dabei, an
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