Nachtgespenster
Und er wird dich interessieren, nehme ich an.«
»Klar, wo ich schon mal hier bin.«
»Ach, hör auf.« Janine bewegte ihren rechten Arm zu heftig. Die Finger berührten den Schirm der Lampe, der ins Schwingen kam und ein Muster aus Licht und Schatten schuf, das über den Tisch und auch über uns hinweghuschte. »In dir ist der Jäger erwacht, John. Du willst wissen, was es mit Doreen auf sich hat.«
»Das gebe ich zu.«
»Sie ist tatsächlich über ihr Schicksal todunglücklich, und sie fühlt sich in der Dunkelheit am wohlsten.«
»Wie bei Vampiren üblich«, sagte ich. »Nein, John.«
»Wieso? Was soll das?«
»Doreen La Monte ist keine echte Vampirin, das kann ich dir versprechen, John. Ich weiß es besser. Ich bin informiert.«
»Das sehe ich anders.«
»Kann sein, aber ich weiß es. Sie leidet nur unter ihrem unhaltbaren Zustand.«
»Was ist er denn? Sprich dich aus, Janine.«
»Ja«, sagte sie schnell und war jetzt fahrig geworden. »Ich habe sie ja einige Male getroffen und konnte auch mit ihr sprechen. Sie hat mir gewissermaßen ihr Leid geklagt. So konnte ich erfahren, daß sie eine Zwitterstellung einnimmt.«
»Was ist das, bitte?«
»Doreen La Monte«, sagte Janine leise, »ist ein Mittelding zwischen Mensch und Vampir.« Sie strich mit zwei Fingerkuppen über einen Kreis, den das beschlagene Glas auf der Tischplatte hinterlassen hatte. »Um genau zu sein, John. Doreen ist eine Halbvampirin.«
Ich sagte nichts. Ausgerechnet ich hielt den Mund. Ich kam zunächst nicht damit zurecht, daß ausgerechnet Janine Helder mir, einem Fachmann und Geisterjäger, wenn man so will, etwas über eine Halbvampirin erklärte. So etwas war mir bisher noch nicht vorgekommen. Wo ich doch verdammt lange im Geschäft war.
Janine hatte sich steif und sehr aufrecht hingesetzt, so daß ich den Blick heben mußte, um in ihr Gesicht schauen zu können. »Es hat mich sehr überrascht«, gab ich zu.
»Das glaube ich dir.«
»Von einem Geschöpf, das zur einen Hälfte Mensch ist und zur anderen Blutsauger habe ich noch nie gehört. Und mir ist schon einiges über den Weg gelaufen, das kann ich dir sagen.«
»Ich weiß, John. Oder habe gehofft, es zu wissen. Es ist aber so. Doreen leidet unter diesem Zustand. Sie hat sich nur mir bisher gegenüber offenbart. Deiner Reaktion konnte ich entnehmen, daß auch du erstaunt gewesen bist.«
»Das war nicht schwer, Janine. Aber davon einmal abgesehen, hätte ich trotzdem noch eine Frage. Wie wird man zu einer Halbvampirin? Da muß doch ein Elternteil zu den Blutsaugern gehört haben…«
»Ihr Vater, John.«
»Aha.« Ich nickte langsam. »Ihre Mutter ist also ein normaler Mensch gewesen, nehme ich an.«
»Das stimmt sogar.«
»Schön«, sagte ich und hob die Hände an. »Vater ist Vampir, Mutter ist Mensch. Irgendwie sind die beiden zusammengekommen, und dann ist es passiert. Ein Vampir, dessen Samen sich zur Fortpflanzung eignet.« Ich schüttelte den Kopf. »Verdammt noch mal, das kann ich nicht begreifen. Vampire, Janine, werden von Frauen und auch von manchen Männern als erotische Geschöpfe angesehen. Diese Erotik jedoch bezieht sich nicht speziell auf diejenige, die uns bekannt ist. Es geht um die Ausstrahlung, um das absolute Gefühl der Macht, die ein Vampir über Frauen hat. Das alles ist mir bekannt. Darüber wurde auch viel geschrieben und in den entsprechenden Filmen gezeigt. Aber mehr weiß ich wirklich nicht oder kann es mir nicht vorstellen.«
»Es ist auch schwer.«
»Eine Frage, Janine. Kennst du ihre Eltern?«
»Ja«, erwiderte sie beinahe schon locker. »Ihr Vater ist der Earl of La Monte.«
»Dem das Schloß gehört, das ich auf meiner Fahrt hierher gesehen habe?«
»Richtig.«
»Und wer war die Mutter?«
Janine Helder lächelte verkniffen. Um ihre Lippen herum baute sich ein Kranz aus Falten auf. »Ich will es mal so sagen. Ihre Mutter war eine Sterbliche.«
»Das ist klar. Kennst du sie? Oder hast du sie gekannt? Lebt sie noch?«
»Nein, sie ist tot.«
Ich wartete einen Moment, bevor ich weitersprach. »Ist sie echt tot, Janine?«
»Ja, ich kann mir denken, was du damit sagen willst. Ja, sie ist gestorben und wurde nicht zu einer Wiedergängerin gemacht, wie man annehmen könnte.«
»Da bist du dir sicher?«
»Ich mußte Doreen glauben.«
»Okay, bleiben wir dabei. Die Mutter ist also tot. Existiert der Vater noch?«
Es war eine entscheidende Frage, und Janine kam mir vor, als wollte sie sich vor der Antwort drücken. Sie stöhnte
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