Nachtgieger
verdeckt wurde. Hinten im Hof und auf der rechten Seite reihten sich geduckt Stallungen, eine Werkstatt und ein massiv gemauerter Backofen für Bauernbrot, dessen Vorderseite oberhalb des eisernen Türchens von Ruß geschwärzt war.
Gerd Förster deutete darauf, und erklärte Mandy, dass in manchen fränkischen Dörfern das Brot im Holzofen noch selbst gebacken wurde. Und in einigen Gemeinden stand ein traditioneller Dorfbackofen, der der heimischen Bevölkerung zum Brot backen kostenlos zur Verfügung stand. Sie mussten ihn nur mit ihrem eigenen Brenngut beheizen. Im Dorfladen konnte man das nach überliefertem Rezept gebackene Holzofenbrot kaufen.
„Wir nehmen uns nachher einen Laib mit, es schmeckt wunderbar, am besten mit Butter und Salz.“
Seine sächsische Kollegin war mit dem traditionellen fränkischen Brauchtum noch nicht so vertraut. Inzwischen jedoch hatte sie sich zu einer begeisterten Anhängerin der deftigen fränkischen Küche entwickelt. Ihr Favorit war Schäuferle mit grünen Klößen und Wirsinggemüse.
Die Kommissare stiegen die Stufen der steinernen Treppe hinauf und klingelten. Bald darauf wurde die aus groben, dunklen Holzbalken gezimmerte Tür einen Spalt breit geöffnet und Alfons Simmerlein blickte sie mit wilder Miene an. Dann erkannte er die Kommissare. Er winkte sie in die Diele und schloss rasch die Haustür.
„Ständig klingeln aufdringliche Reporter und wollen uns interviewen. Ich habe sie vom Hof gejagt“, berichtete der Vater der toten Kati mit müder Stimme. Er machte einen mitgenommenen Eindruck und hatte sicherlich in dieser Nacht kein Auge zugetan. „Kommen Sie mit, setzen wir uns in die gute Stube.“
Sie nahmen in der tiefen Sitzecke Platz, die aus einem flaschengrünen Plüschsofa und zwei wuchtigen Ohrensesseln in derselben Farbe bestand. Sie gruppierten sich um einen rechteckigen, niedrigen Tisch, in dessen Platte quadratische braune und beige Fliesen eingelassen waren. Eine aktuelle Fernsehzeitschrift lag darauf, parallel dazu die Fernbedienung.
„Guten Tag, Herr Simmerlein, ich danke Ihnen, dass meine Kollegin und ich mit Ihnen reden dürfen“, begann Gerd Förster das Gespräch, „ich weiß, dass es sehr schwer ist für Sie, aber je schneller wir die Ermittlungen aufnehmen, desto größer sind unsere Chancen, dieses Verbrechen aufzuklären.“
Bei dem Wort Verbrechen fuhr Alfons Simmerlein zusammen. Er strich mit den Händen über sein Gesicht, schüttelte fassungslos den Kopf und erwiderte leise: „Es ist schon in Ordnung, Herr Kommissar, ich will alles tun, was ich kann, um den Mörder meiner Tochter zu finden.“
„Herr Simmerlein“, bat Mandy Bergmann bestimmt, „wir hätten Ihre Frau bei unserer Befragung auch gerne dabei, können Sie sie bitte holen?“
Alfons Simmerlein nickte: „Sie hat sich etwas hingelegt, kann aber vor Kummer nicht einschlafen. Ich sage ihr Bescheid, dass Sie gekommen sind, und setze für uns einen starken Kaffee auf.“
Marga Simmerlein betrat das Wohnzimmer und schüttelte den beiden Kommissaren kraftlos die Hand. Dabei murmelte sie eine Begrüßung. Sie ließ sich vorsichtig im Sessel nieder, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte vor sich hin. Sie war grau im Gesicht und wirkte um Jahre gealtert. Ihre Augen waren vom vielen Weinen gerötet und geschwollen. Gerd Förster beschloss, unverzüglich seine Fragen zu stellen. Mitleidsbekundungen würden die Frau gar nicht erreichen und ihr auch nicht weiterhelfen. Sie stand offensichtlich unter einem schweren Schock.
Alfons Simmerlein trug ein kleines Tablett, bestückt mit Tassen und einer Kaffeekanne, in die gute Stube und schenkte allen schwarzen Kaffee in ihre Tassen.
„Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?“, wollte der Kommissar wissen.
„Am frühen Samstagmorgen“, antwortete Frau Simmerlein mit zitternder Stimme. „Kati und ihre Freundin Gretchen wollten das Wochenende im Fichtelgebirge verbringen. Kati verabschiedete sich von uns und lief mit ihrer Reisetasche zur Bushaltestelle. Sie wollte den Überlandbus nach Pretzfeld nehmen, dort wohnt Gretchen, eine Arbeitskollegin von Kati. Sie arbeiten beide beim dortigen Obstgroßhändler.“ Sie stockte und rang sichtlich um Fassung. „Ich meine, meine Kati arbeitete dort. Ihre Freundin besitzt schon ein eigenes Auto. Sie wollten sich zwei schöne Tage machen, wandern, schwimmen – ein tolles Weiberwochenende verbringen, wie Kati es nannte.“ Frau Simmerlein schwieg einen Moment,
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