Nachtgieger
sie junge Frauen tragen: Jeans, Miniröcke, T-Shirts.“ Ein einziges gutes, dunkles Kleid, wahrscheinlich für den sonntäglichen Kirchgang, hing auf einem Bügel. In einem Fach lag eine Schatulle mit einem schmalen Silberring und einer Kette mit einem kleinen Kreuz, ebenfalls aus Silber.
Gerd Förster tastete von unten den Lattenrost des Bettes ab und hob dann die Matratze an. Nichts. „Sie muss doch irgendwo ihre persönlichen Sachen aufbewahrt haben, ihre Schätze. Andenken, ein Tagebuch, Liebesbriefe. Oder wird heutzutage gar nichts mehr mit der Hand geschrieben?“ Ihre Blicke fielen gleichzeitig auf den Computer. „An diesem Gerät hat sie viel Zeit verbracht, hat ihre Mutter ausgesagt. Was hat sie gemacht, wofür hat sie ihn benutzt? Sie war keine Schülerin oder Auszubildende, sie war Packerin von Obstkisten. Ich kann hier kein einziges Buch entdecken.“
„Das haben wir gleich, Gerd.“ Mandy schaltete den Computer ein. „Sie verbringt ihre Zeit im Internet, wie die meisten jungen Menschen. Sie berichten unbedarft und naiv in Online-Foren wie zum Beispiel Facebook von ihrem Leben und kommunizieren mit zahlreichen sogenannten Freunden, die sie noch nie gesehen haben. Sie geben Informationen über sich preis, die sie besser für sich behalten sollten. Oh, sie hat ihren Computer mit einem Passwort geschützt.“
Mandy lief auf den Flur und rief die Treppe hinunter: „Herr Simmerlein, hatte ihre Tochter ein Lieblingstier?“
Eine tiefe Stimme schallte von unten herauf: „Ja, Frau Kommissarin, ihre Katze Maisy, warum wollen Sie das wissen?“
„Das erkläre ich Ihnen später.“ Mandy kam zurück ins Zimmer und tippte „Maisy“ ein – der Bildschirm öffnete sich wie durch Zauberhand. „Na, ist das wohl eine Einladung zum Mittagessen wert?“, triumphierte sie.
Gerd Förster war äußerst beeindruckt. „Du bekommst so viele Schäuferle, wie du willst“, versicherte er.
Mandy rief Katis Lieblingsseiten auf. „Sie hat sich in Chatrooms bewegt, Gerd, in Foren, die der Partnersuche dienen.“ Den PC würden sie mitnehmen. Sie mussten alle Spuren zurückverfolgen. Mit wem hatte Kati Kontakt aufgenommen und zu welchem Zweck? Vielleicht hatte sie auf diese Weise ihren oder ihre Mörder kennengelernt.
Sie informierten Alfons Simmerlein, dass sie den PC seiner Tochter für weitere Untersuchungen mit auf das Präsidium nehmen müssten. Er hatte nichts dagegen.
„Eine Frage noch, Herr Simmerlein: Hatte Ihre Tochter einen Freund?“, wollte der Kommissar wissen.
„Nein“, antwortete er bestimmt. „Meine Tochter hat fleißig gearbeitet, meiner Frau im Haushalt geholfen und gerne an ihrem Computer gespielt.“
Die Kommissare verluden den Computer in den Kofferraum des Audis. „Und was jetzt?“, fragte Mandy.
„Trinken wir doch in der hübschen Konditorei von Manuela Henneberger einen Kaffee und besprechen unsere weiteren Schritte“, schlug Gerd Förster vor.
„Gute Idee“, bekräftigte Mandy, „gibt es dort nicht diese sensationellen Riesenwindbeutel mit Obst und Schlagsahne?“
„Genau“, bestätigte ihr Kollege.
Sie parkten vor dem Café, und weil die Sonne warm schien, entschieden sie sich, auf der kleinen Terrasse Platz zu nehmen. Ein weiterer der runden Bistrotische, auf denen quaderförmige Glasgefäße mit buntem Dekosand und Teelichtern standen, war besetzt. Eine Gruppe von fünf unternehmungslustigen älteren Herren drängte sich um den kleinen Tisch. Auf ihren Kaffeetassen lag eine Wanderkarte ausgebreitet, die die Männer ausgiebig studierten. Mit den Zeigefingern fuhren sie eifrig darauf herum. Ein kleinwüchsiger Mann mit einem gewaltigen Bierbauch, der eine Lederhose mit zünftigen Hosenträgern und ein grün kariertes Hemd trug, zeigte auf einen Punkt auf der Karte: „Wir könnten über den Regensberg nach Thuisbrunn wandern, weiter nach Hohenschwärz und über Kasberg wieder zurück. In Regensberg kehren wir dann ein. Im dortigen Landgasthof soll es vorzügliche Wildgerichte geben. Danach spielen wir Schafkopf, und heute Abend holen uns unsere Frauen wieder ab.“
Die anderen Herren nickten zustimmend: „Prima Idee, Holger, du zahlst die Rechnung und dann brechen wir auf.“
Holger rief nach der Bedienung, dann machte sich die Wandergruppe fröhlich auf den Weg.
Manuela Henneberger sah empört den davonmarschierenden Männern hinterher: „Bedienung“, schnaubte sie, „ich bin hier die Chefin.“ Dann wandte sie sich ihren neuen Gästen zu: „Grüß Gott, was
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