Nachtgieger
aufbringen.“
Die Kommissare waren auf der Rückfahrt nach Bamberg bei Marga Simmerlein vorbeigefahren und hatten das Handy ihrer Tochter mitgenommen.
Katis Mutter sah wirklich schlecht aus. Sie trug eine schwarze, zerknitterte Kittelschürze und hatte einige Kilos abgenommen, ihr Gesicht wirkte eingefallen und hatte jede Farbe verloren. Sie schien um Jahre gealtert. Alfons Simmerlein trafen sie nicht zu Hause an. Seit dem Tod seiner Tochter hielt er sich häufiger in der Dorfgaststätte auf.
„Sie finden doch jetzt den Mörder meiner Tochter, jetzt, wo Sie ihr Handy haben?“, bohrte Katis Mutter verzweifelt nach.
Gerd Förster versprach ihr erneut, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um den Täter zu finden und seiner gerechten Strafe zuzuführen.
Zurück in Bamberg brachten sie das Handy zur Untersuchung. Nur kurze Zeit später, als sie bei einem Kaffee zusammensaßen und ihr weiteres Vorgehen besprachen, kam ein Kollege in ihr Büro gestürmt und wedelte vielversprechend mit einem Computerausdruck.
„Wir konnten eine Fotografie auf dem Handy sicherstellen“, erklärte er. „Schaut euch das an.“
Auf dem Foto war ein Teil eines Hauses zu sehen, eines stabilen Holzhauses, das von hohen, dichten Bäumen umgeben war. Es war ein leicht verwackelter Schnappschuss, auf dem jedoch deutlich die starken, versetzt angebrachten, hellen Holzbohlen der Blockhauswand und ein quadratisches, kleines Fenster mit geschlossenen, jägergrünen Läden zu erkennen waren. Bei den Bäumen, die dicht an der Hütte wuchsen, handelte es sich um Buchen, Eichen und Kiefern. Ein wuchernder, dorniger Strauch, der vom eigentümlichen Wachstum her an ein Gorgonenhaupt erinnerte, aus dem zahlreiche, sich windende Schlangen
herauswuchsen, befand sich links neben dem Holzhaus. Dann war noch ein Stück eines gemauerten Kamins zu erkennen, auf dem irgendetwas Geschwungenes angebracht war – was, das konnte man nicht ausmachen. Eine verbogene Regenabflussrinne verschwand in einem hohen, blauen Plastikbehälter. Nur spärliches Sonnenlicht fiel durch die Baumkronen und der abgebildete Ort wirkte düster und feindselig.
Mandy war aufgeregt: „Das könnte die Hütte sein, in der sich der Täter mit seinen Opfern trifft und sie eventuell auch erdrosselt. Kati Simmerlein muss dort gewesen sein. Vielleicht ist sie auch dort gestorben. Die Fenster sind womöglich vergittert, er könnte die Frauen dort eingesperrt und festgehalten haben.“ Sie schauderte und eisige Kälte kroch durch ihren Körper. „Wir müssen dieses Holzhaus finden.“
Sie beschlossen, die Fotografie am Montag in allen regionalen Zeitungen veröffentlichen zu lassen. Irgendjemandem musste die Hütte doch bekannt vorkommen. Das konnte eine heiße Spur sein.
Mandy starrte versunken auf das Foto: „Da hast du die Frauen ermordet, ich weiß es, und jetzt kriegen wir dich, du verdammte Bestie.“
Sie wirkte zu allem entschlossen.
Wie mit Margarete besprochen, fand sich Mandy Bergmann am späten Samstagabend auf dem Gelände des Schrebergartenvereins ein, um ihre nächtliche Wache anzutreten. Auf dem Grundstück ihrer Nachbarin überprüfte sie zuerst die Holzwand der Laube. Es waren keine neuen Buchstaben hinzugekommen.
Sie betrat das Häuschen und bereitete ihr Nachtlager vor. Die Isomatte passte gerade zwischen den Ofen und die Sitzecke. Darauf legte Mandy ihren Daunenschlafsack.
Sie beschloss, nach dem langen, anstrengenden Arbeitstag noch einen kleinen Spaziergang zu machen, auch mit der Absicht, sich einen Überblick über das Gelände zu verschaffen. Gemächlich lief sie über die mit Kies bestreuten, unkrautfreien Wege der Kolonie und atmete die schwüle Luft ein. Ein Gewitter schien im Anzug.
Auf dem Rückweg verweilte sie an Margaretes Holzsteg, wo das Wasser des Kanals im Mondlicht schimmerte, und verspürte große Lust, noch einen Runde zu schwimmen. Sie war bei ihrem Kontrollgang keinem Menschen begegnet. Die Schrebergartenanlage schien völlig verlassen zu sein. Sie wusste von Margarete, dass die Besitzer normalerweise zum Schlafen nach Hause gingen. Anscheinend waren alle Grillpartys zu Ende, vielleicht auch wegen des nahenden Gewitters.
Mandy schlüpfte aus ihren Kleidern und ließ sich vom Steg aus in das Wasser gleiten. Es war recht frisch. Fröstelnd schwamm sie ein Stück vom Ufer weg. Mit kräftigen, weit ausholenden Armbewegungen kraulte sie gegen die Strömung an, dann ließ sie sich entspannt zurücktreiben. Einem nächtlichen
Weitere Kostenlose Bücher